Es gab einmal verschiedene Synagogen für verschiedene gesellschaftliche Klassen: Eine Synagoge für Zimmerleute und Schuster, eine andere für Bauern, und eine ganz abgetrennte für Tora-Gelehrte, die nicht mit dem „allgemeinen Volk” zusammen sitzen wollten.

Unglaublich? Vor nur zweihundert Jahren war das in den Schtätteln Osteuropas weit verbreitet!

Dann kam der Baal Schem Tow.

Kein Jude sollte als „fern“ charakterisiert werden, denn im Grunde genommen sind wir eine EinheitRabbiner Israel Baal Schem Tow (wörtlich: „Der Meister des Guten Namens”, 1698-1760), Gründer der Chassidim, zeigte, dass solche gesellschaftlichen Abtrennungen nicht zum Judentum passten. Er erklärte, dass alle Seelen einen gemeinsamen G-ttlichen Ursprung besitzen, und dass wir in jedem Juden, ob gelehrt oder nicht, wunderschöne geistige Schätze finden können.

Er lehrte, dass geschrieben steht: „Denn ihr (das jüdische Volk) sollt ein Land des Verlangens sein, sagt der Herr der Heerscharen.”

Genauso, wie die besten Wissenschaftler nie die Grenzen der enormen natürlichen Resourcen, die der Allmächtige in der Erde versteckt hat, erreichen können, so wird man niemals die Grenzen der großen Schätze erreichen, die in Israel, G-ttes „Land des Verlangens”, versteckt sind.

Überall, wo der Baal Schem Tow hinging, zerstörte er die Grenzen zwischen Juden und baute Ahawat-Jisrael-Brücken (Liebe Deinen Mitjuden). Er brachte Juden zusammen, unterrichtete sie gemeinsam und informierte sie über ihre Pflicht, für sich gegenseitig Verantwortung zu übernehmen. Er zeigte, dass wir eine Einheit sind.

Der Baal Schem Tow hatte unerbittliche, manchmal sogar fanatische Gegner. Sie behaupteten, dass ein solches Brückenbauen zwischen Tora-Gelehrten und Analphabeten die Ehre der Tora verletze und Einfachheit fördere.

Trotzdem breitete sich die chassidische Haltung innerhalb einiger weniger Generationen auf der ganzen Welt aus. Uns erscheint der Gedanke, getrennte Synagogen für Juden verschiedener Klassen zu haben, so absurd, dass einige bis heute kaum akzeptieren können, dass der Baal Schem Tow tatsächlich der Urheber der jüdischen grenzenvernichtenden Revolution vor zwei Jahrhunderten war.

Die jüdische Geschichte wiederholt sich. Gerade vor 70 oder 80 Jahren bestanden alle kleineren Gemeinden in Europa aus religiösen Menschen. Damals gab es keine Juden, die nicht Tora-treu waren. Der Aufruhr zweier Weltkriege veränderte die jüdische Gesellschaft so sehr, dass sich in den 30iger und 40iger Jahren die Gemeinden in Westeuropa und Amerika in zwei getrennte Lager teilten. Es entstand eine Gruppe, die teilweise oder völlig irreligiös ist, und eine zweite, die die Gesetze der Tora hält, aber nichts mit dem nichtreligiösen Lager zu tun haben möchte.

Lubawitsch kam in den 40iger Jahren und zerstörte die Barrikaden zwischen Juden.

Zuerst begann Lubawitsch mit dem jüdischen Tagesschulsystem in Amerika. Chabad erklärte, dass alle jüdischen Kinder die Möglichkeit haben sollten, Ganztagstoraschulen zu besuchen. Dann wandte sich Chabad den öffentlichen Schulen zu, in denen die Mehrzahl der jüdischen Kinder nichtreligiös war. Für diese Kinder griff Lubawitsch auf das New York State Gesetz der „Released Time” (Freien Zeit) zurück. 1942 organisierten sie ein Klassennetzwerk, in dem grundlegende Tora-Konzepte eine Stunde pro Woche behandelt wurden. „Mesibos Schabbos” (Jugendgruppen für Schabbat-Nachmittag) wurden gegründet. Chabad-Chassidim erschienen während der Sukkot-Feiertage in den Städten und boten Lulaw und Etrog denen an, die noch nicht die Tora-Gesetze hielten. Vor Chanukka 1942 wurde die erste englische Tora-Kinderzeitschrift der Welt „Talks and Tales” (Gespräche und Geschichten) von Chabad gedruckt.

Vor 30 Jahren saßen „Chabadniks” aus Russland mit ihren jüdischen Brüdern, die angeblich kommunistisch und „anti-religiös” sein wollten, in warmer und freundlicher Atmosphäre bei einer chassidischen Versammlung in der israelischen Stadt von Lubawitsch Kfar Chabad zusammen. Die Atmosphäre war positiv und animierend. Die weltweit erste Jeschiwa für Baalej Tschuwa („Rückkehrer” zur jüdischen Praxis), „Hadar HaTora“, wurde in Brooklyn 1962 gegründet. Dann wurde eine weitere, das „Tiferes Bachurim“ („Programm der Neuen Richtung“) in Morristown, New Jersey, gegründet. Dann kamen die Chabad-Häuser ...

... Das Weitere ist bekannt.

So wie in der Zeit des Baal Schem Tow wurde der grenzüberschreitende Ansatz der Lubawitscher zuerst scharf kritisiert und sogar vehement attackiert; aber wiederum wurden nach nur wenigen Jahren das jüdische Tagesschulsystem und die „Outreach Einstellung“ praktisch universell. In der jüdischen Gemeinde wird immer mehr erkannt und akzeptiert, dass wir eins sind. Diese Einheit ist etwas Besonderes im jüdischen Volk. Wir sind Gliedmassen desselben Körpers. Wenn wir ein Gliedmaß, d.h. einen Juden, kräftigen, dann stärken wir uns alle. Diese Einheit wird häufig vom Chabad-Chassidismus betont. Er reflektiert den grundlegenden Glauben, dass jeder Jude, egal woher er kommt oder welcher Gruppierung er angehört, eine Neschama, eine einzigartige Seele besitzt, die aus einem G-ttlichen Funken besteht. Dieser G-ttliche Funken beruht bei allen Juden auf dem gleichen Prinzip. Daher kommt der Spruch, „Ein Jude ist ein Jude und bleibt ein Jude.”

Wegen der Neschama (der G-ttlichen Seele) sind die Tora und alle ihre Gebote das Erbe, das Recht und das Privileg unseres gesamten Volkes. Wenn wir die Frage stellen: „Warum helfen Sie jüdischen Männern auf der Straße, Tefillin anzuziehen?“, oder „Warum geben Sie Schabbat-Kerzen und Kerzenhalter an Männer und Frauen aus, die Sie gar nicht kennen?”, dann antwortet der Chabad-Lubawitscher Chassid:

„Das tun wir wegen dem, was sie schon sind, und nicht wegen dem, was sie vielleicht einmal sein werden. Nicht, damit er oder sie eines Tages ‚orthodox’ wird, sondern weil er oder sie schon jetzt jüdisch ist, und Tefillin und Schabbat-Kerzen gehören zu ihnen; es ist ihr Recht und ihre Pflicht, diese Mizwa zu halten, und es ist unser Privileg, unsere Ehre und Pflicht, ihnen mit Respekt zu helfen, sie zu praktizieren. Ich tue das mit dem selben Feuereifer und Mitgefühl, mit dem ich einem Passanten, den ich noch nie gesehen habe und den ich vielleicht nie mehr sehen werde, eine warme Mahlzeit und einen Platz zum Schlafen anbiete.“

Einige haben Outreach „Kiruv Rechokim“ („Heranholen derer, die weit weg sind”) genannt. Kein Jude sollte als „fern“ charakterisiert werden, denn im Grunde genommen sind wir eine Einheit.

Rabbi Schneur Salman von Liadi, der Gründer von Chabad-Lubawitsch, erklärte: „Großvater (so nannte er den Baal Schem Tow) liebte das einfache Volk sehr. In meinen ersten Tagen in Mesritsch sagte mein Rebbe, der Nachfolger des Baal Schem Tow: „Der Baal Schem Tow hat immer wieder betont, dass Liebe Israel’s der G-ttesliebe entspricht. „Ihr seid Kinder G-ttes, Eures G-ttes”; wenn wir den Vater lieben, dann lieben wir auch die Kinder.“

- Rabbi Josef Izchak Schneersohn, der sechste Chabad Rebbe