1. Über den Vers "und sie sollen zu dir nehmen klares, gestoßenes Olivenöl zum Leuchten..." sagen unsere Lehrer seligen Andenkens, dass es drei Sorten Öl gibt, und dass man für die Menora die erste und beste Sorte Öl benutzen musste.

Wie schon viele Male gesagt, hat jede Angelegenheit der Tora eine Bedeutung für die spirituelle Arbeit der Seele des Menschen. Dies gilt ganz besonders bei all jenen Dingen, die von Heiligtum und Tempel handeln und von denen steht "und ich werde in ihnen wohnen", welches laut unseren Meistern seligen Andenkens bedeutet: "in jedem einzelnen von Israel".

2. In der Tora gibt es drei Stufen: Wasser, Wein und Öl. Die offenbarte Tora ist das Wasser, die Geheimnisse der Tora der Wein und die allertiefsten Geheimnisse sind das Öl, welches über dem Wein schwimmt und folglich auf einer noch höheren Stufe als der Wein steht.

Alle Angelegenheiten der Tora erscheinen im Großen wie im Kleinen. Daher bestehen auch im Öl selber wiederum drei Stufen – drei Öle: das Wasser, der Wein und das Öl des Öles.

Daher tauchen auch in der Chassidus-Lehre selbst – der Innerlichkeit der Tora, welcher der Stufe des Öls der Tora gleichkommt – wiederum alle Teile der Tora auf, so wie mein Meister und Lehrer, unser Rebbe sagte, dass es innerhalb der Chassidus-Lehre auch Moralpredigten und Philosophie gibt, nur dass sie im Geist der Chassidus gehalten sind.

3. Der Vorzug des Öls über den Wein lässt sich wie folgt beschreiben.
Wasser und Wein befinden sich dort, wo sie sind, weiter gehen sie jedoch nicht. Öl jedoch, so urteilt die Tora, durchdringt alles, d.h. wenn Öl an einen Ort gelangt, verbreitet es sich von dort, an alle Orte, die mit jenem Ort verbunden sind.

So auch auf der geistigen Ebene. Wenn man allein die offenbarte Tora lernt, so kann es zwar sein, dass man sich bei der Tora befindet, aber man selbst und die Tora bleiben zwei getrennte Sachen. Durch das Lernen der tiefsten Geheimnisse der Tora – und in unseren Generationen ist dies die Chassidus-Lehre – wird alles durch das Öl durchdrungen, bis man mit der Tora vereint ist, so wie eingravierte Buchstaben.

4. Wie schon früher gesagt, brauchte man für das Öl zum Leuchten nur das erste Öl, das Öl im Öl.

Der Unterschied zwischen der Innerlichkeit der Tora (im Allgemeinen) und der offenbarten Tora besteht darin, dass die offenbarte Tora innerhalb des menschlichen Verstandes auftaucht. Deshalb lässt sie jedoch Raum für Realität und eigene Existenz. Die Innerlichkeit der Tora beschäftigt sich mit Aspekten der G“ttlicheit und der Nichtigkeit der Welten. Sie lässt keinen Platz für ein Gefühl der eigenen Existenz.

Derselbe Unterschied findet sich auch in der Innerlichkeit der Tora selbst wieder: in Wasser, Wein und Öl im Öl. Obwohl die Innerlichkeit der Tora auf eine Weise gegeben wurde, dass man sie auch mit Verstand und Begriffsvermögen erfassen kann – Wasser und Wein (im Öl), so braucht man doch das Öl im Öl, gestoßenes Öl zum Leuchten, d.h. die Selbstaufgabe in der Innerlichkeit der Tora, welche insbesonders durch die Vorbereitung des Betens erreicht werden kann.

5. Am Ende des Wochenabschnittes Tezawe berichtet die Tora vom goldenen Altar. Die Kommentatoren fragen, warum der goldene Altar nicht zusammen mit den anderen Geräten des Heiligtums im Wochenabschnitt Truma erwähnt wird, wo er dem Anschein nach auch hingehört. Dort werden der Tisch und die Menora mit ihren Einzelheiten beschrieben, die ja zusammen mit dem goldenen Altar im Stiftszelt standen. Warum also berichtet die Tora vom goldenen Altar erst nach allen Diensten des Stiftzeltes, am Ende vom Wochenabschnitte Tezawe?

Um dies zu erklären, muss man einräumen, dass die Tora hier andeuten will, dass Sinn und Zweck aller Arbeiten im Stiftszelt eben im Verbrennen des Räucherwerks bestand, welche ja auf dem goldenen Altar stattfand. Bei diesem Dienst waren nur der Hohepriester und G“tt zugegen, wie ja auch der Talmud Jeruschalmi zum Schriftvers „und kein Mensch wird im Stiftszelt sein, wenn er kommt“ ausführt1: selbst jene, von denen geschrieben steht, dass ihr Gesicht den Gesichtern der Menschen gleichen, selbst die dienenden Engel… Unter den täglichen Opferdiensten im Stiftszelt, war das Verbrennen des Räucherwerks auf dem goldenen Alter der einzige, bei dem allein der Hohepriester und G“tt zugegen waren, und eben dort wurde die g“ttliche Gegenwart sichtbar.

So auch beim täglichen Dienst des Menschen am Schöpfer. Diese Arbeit ist dann vollkommen, wenn einem zuteil wird, Tora und Mizwot im Allgemeinen – und das Gebot der Zedaka im Besonderen – zu erfüllen, ohne dass dies bekannt wird. Es ist nicht Sinn und Zweck so zu handeln, wie es einige tun, welche dabei Fotos machen lassen, um sie anschließend in den Zeitungen drucken zu lassen. Das Geben von Zedaka soll im Verborgenen stattfinden, so dass niemand davon erfährt – nur man selbst und G“tt.

* * *

6. Von unseren Weisen seligen Andenkens erfahren wir, dass sich Mosche schwer tat, als man bei der Herstellung Geräte für das Stiftszelt daran ging, die Menora anzufertigen. Da unser Meister Mosche wusste nicht, wie er die Menora herstellen solle, sagte ihn G“tt, dass er das nur Gold ins Feuer werfen solle, und aus diesem Gold entstand dann die Menora.

Auf dem ersten Blick erscheint unverständlich, worin der Unterschied zwischen der Menora und den anderen Geräten des Stiftzeltes besteht. Wenn er doch von allen anderen wusste, wie er sie herzustellen habe, wie kann es dann angehen, dass er es gerade bei der Menora nicht gewusst haben soll? Dazu kommt noch, dass unser Meister Mosche die Menora ja schon im Himmel gesehen hatte, da ja geschrieben steht „so, wie man sie dir zeigte“. Wie kann es also sein, dass Mosche dies nicht wusste?

7. Um dies zu verstehen, muss man zuerst auf die Bedeutung des Stiftzeltes und seiner Geräte im Allgemeinen eingehen.

Bevor die Tora anhebt, über die Errichtung des Stiftzeltes und die Herstellung seiner Geräte zu berichten (am Anfang von Wochenabschnitt Truma), schickt sie einen Schriftvers voraus, welcher als allgemeine Einleitung dient: „sprich zu den Kindern Israels eine Gabe sie sollen mir geben …“. Dieser Schriftvers besteht aus zwei Teilen: a) sprich zu den Kindern Israels, und b) sie sollen mir ein Gabe geben. Erst nachdem diese beiden Bedingungen erfüllt sind, kann man sich daran machen, das Stiftszelt zu errichten.

8. Die Erklärung davon ist, wie folgt. Das Stiftszelt wurde ja aus physischen Dingen hergestellt: Gold, Silber, Kupfer usw. Dies heißt, dass man aus physischen Dingen dem Ewigen, gelobt sei Er, Stiftszelt und Tempel erbaute.

Stellt sich die Frage, wie es denn überhaupt möglich sein soll, aus physischen Dingen einen Tempel zu errichten. Auf dem ersten Blick muss es scheinen, als könne man einen Tempel durch Lernen, durch Beten usw. errichten, wie aber kann man einen Tempel aus physischer Materie erbauen?

Dies erscheint noch unbegreiflicher, wenn man in Betracht zieht, dass ja bekanntlich die g“ttliche Einwohnung, welche sich im Tempel offenbarte, noch höher war, als das Licht, welches alle Welten – auch die höchsten – erfüllt. Denn auch in den höchsten Welten ist dieses Licht nur ein Abglanz der G“ttlichkeit, im Tempel hingegen kam der Wesenskern selber zum Vorschein – G“tt in all Seiner Pracht und Herrlichkeit.

9. Diese Offenbarung Seines Wesenskerns trat hauptsächlich im Allerheiligsten zum Vorschein. Dies drückte sich auch für fleischliche Augen sichtbar darin aus, dass die heilige Lade im Allerheiligsten keinen Raum einnahm, was eben nur durch die Offenbarung des Wesenskerns bewirkt werden kann.

Es ist allgemein bekannt, dass eine Stufe von G“ttlichkeit in Form von Natur und physischen Dingen auftritt. Eine weitere Stufe von G“ttlichkeit tritt als erschaffende Kraft auf, eine dritte steht bereits ganz über der Schöpfung. Die vierte und höchste Stufe jedoch lässt sich lediglich in negativen Attributen ausdrücken (so ist G“tt weder hart, noch weich, weder stofflich noch unstofflich, weder alt noch jung usw. – Anm. d. Übers.). Dies wurde von jüdischen Philosophen so beschrieben, dass die Negierung einer Eigenschaft eine echte Entsprechung in G“tt besitzt.

Ganz besonders Kabbala und Chassidus-Lehre erklären, dass diese Stufe der negativen Attribute aber tatsächlich im Allerheiligsten zum Vorschein kommt. Daher ereignete sich eben gerade im Allerheiligsten, in jenem Raum jenseits des Raumes, die Offenbarung, welche der Stufe der negativen Attribute2 entspricht.

Aus diesem Grund passieren alle Gebete, dem Tor der Himmel, und daher steht auch geschrieben „und sie beteten im Wege ihres Landes“. Daher beten alle Juden der Welt in Richtung des Landes Israel, in Israel betet man in Richtung des Tempels und im Tempel selber in Richtung des Allerheiligsten.

Der Grund dafür ist, dass die Gebete sich ja mit den Bedürfnissen der Menschen befassen und die Mehrheit dieser Bedürfnisse ist eben physischer Natur, welche oben keinen Raum einnehmen. Das Allerheiligsten aber, in dem sich der Wesenskern offenbart, steht auf der Stufe der negativen Attribute. Dort ist es möglich, dass die tiefste Tiefe mit der höchsten Höhe verbunden wird.

10. Wir hatten die Frage gestellt, wie es möglich ist, aus physischen Dingen eine solche Heiligkeit zu erzeugen, die noch über die Heiligkeit der höchsten Welten hinausgeht. Dies ist auch die Frage, welche König Schlomo stellte – „Ja selbst die Himmel und die Himmel der Himmel können Dich nicht fassen, wie dann aber dieses Haus?“. Die Himmel und die Himmel der Himmel verkörpern sehr hohe Stufen (die Einzelheiten werden in der Chassidus-Lehre erläutert) und trotz allen sind sie keine Gefäße für den Wesenskern. Wie kann dann ein Haus, welches aus physischen Dingen erbaut ist, ein Gefäß für den Wesenskern des Unendlichen, gesegnet sei es, sein?

11. Auf diese Frage antwortet der einleitende Schriftvers – a) „sprich zu den Kindern Israels“ und b) „eine Gabe sollen sie mir geben“. Der Tanja geht, im Namen des Sohar3, darauf ein, warum an dieser Stelle ein „und“ zu fehlen scheint, denn „alle sind sie Eins“, d.h. die dreizehn oder fünfzehn Gaben, welche erwähnt werden, sind eins mit dem „mir“ da ja die Schöpfung des Physischen aus dem Wesenskern erfolgt4. Die Dinge sind da, man muss sie nur aus dem Verborgenen ans Licht befördern. Und daher kann man aus physischen Dingen einen Tempel errichten.

Zusätzlich wird gesagt „sprich zu den Kindern Israels“. Denn obwohl alles eine Einheit bildet, welche nur offenbart werden muss, aber eben dies, das Offenbaren des Wesenskerns im Physischen, dies können nur die Seelen Israels. Denn da in diesen Seelen, der Wesenskern bereits offenbar ist, sind sie zu dieser Offenbarung fähig.

Dies entspricht dem bekannten Kommentar zum Schriftvers „wenn du einen Knecht erwirbst“5 demzufolge es zu einer Hinableitung des Aspekts des Verstandes in die Welten Schöpfung, Formung und Handeln– dem Samen des Tieres – kommen, weil a) es ja bereits vorhanden ist, und man es nur offenbaren muss, denn dies ist die Bedeutung des „Erwerbens“, allein das Offenbaren des verborgen Vorhandenen, und b) dieses Herableiten des Verstandes eben gerade durch unseren Meister Mosche erfolgt, dessen Stufe dadurch bezeichnet wird „dass ich ihn aus den Wassern gezogen habe“. Denn obwohl allen Seelen von der Wurzel bereits Verstand erhalten, welcher nur offenbart werden muss, so muss diese Offenbarung durch Jemandem erfolgen, bei dem dieser Aspekt offen zu Tage tritt.

Auf selbe Weise trifft auch zu, dass es eben die Seelen Israels sein müssen, welche aus Physischen Gefäße für den Wesenskern anfertigen, weil sie in ihrer Wurzel „mir“ sind. So erfolgt die Offenbarung des Wesenskerns durch die Seelen Israels, weil in ihnen dieser Wesenskern bereits offenbart ist.

12. Demzufolge kann man begreifen, warum Mosche sich gerade beim Anfertigen der Menora schwertat: Die Menora bestand aus Gold, und ihr Aufgabe bestand darin, das Dunkel so zu erleuchten, dass es allen, welche zur Welt kommen, ein Zeugnis ist, dass die g“ttliche Einwohnung in Israel weilt6. Dies ist es, was Mosche schwerfiel: wie kann man dies mit physischem Gold bewerkstelligen?

Auf diese Frage antwortete ihn G“tt, dass ein Mensch dies tatsächlich nicht tun kann, sondern dass dies G“tt selber tut. Alles was vom Menschen gefordert ist, ist dass er das Gold ins Feuer wirft, G“tt wird dann daraus eine Menora erschaffen, welche im Stiftszelt leuchtet.

12. Es wurde schon etliche Male darüber gesprochen, dass die Zerstörung des Tempels sich allein auf das physische Gebäude aus Holz und Steinen usw. bezieht. Der Tempel, welcher sich im Herzen jedes Juden befindet – „und ich werde in ihren Mitten wohnen“ – ist davon in keiner Weise betroffen. Dieser Tempel ist zu allen Zeiten und unter allen Umständen heil und ganz.

Wenn ein Jude aus all seinen Dingen und seinem Vermögen G“tt einen Tempel errichtet, so sagt ihn G“tt dass er aus seinem Gold, seinem allerbesten physischen Besitz, eine Menora erstellen soll. G“tt sagt: Ich begnüge mich nicht mit deinem Lernen und deinem Beten und all deinen Mizwot. Ich verlange von dir, dass du auch aus deinem physischen Besitz einen Tempel für mich baust.

Allein kannst du dies nicht vollbringen, sagt G“tt. Ich werde es tun. Alles, was von dir gefordert wird, ist dass du dein Gold ins Feuer deines Herzens wirfst – denn im Herzen jedes Juden brennt ein flammendes Feuer für G“tt. Wenn du dein Gold in dieses Feuer wirfst, dann werde ich daraus einen Tempel bauen. Und noch mehr – dieser Tempel wird der Welt Licht spenden und ein Zeugnis sein, dass die g“ttliche Gegenwart in dir wohnt.