In einem kleinen polnischen Dorf lebte einmal ein bescheidener und frommer Jude namens Meir. Obwohl er alles andere als reich war, fehlte es seiner Familie nie am täglichen Brot. Jeden Tag ging er auf dem Weg von der Synagoge nach Hause durch den Bauernmarkt und kaufte Lebensmittel, die seine Frau dann in einem kleinen Laden neben ihrem Haus verkaufte.
Die Preise waren immer angemessen, und sie standen im Ruf, ehrliche Leute zu sein. Im Unterschied zu den anderen Käufern auf dem Markt feilschte Meir nie. Er hatte seinen eigenen fairen Preis, und von dem wich er nie ab.
Die Bauern achteten ihn und wandten sich an ihn, wenn sie etwas besonders Gutes zu verkaufen hatten. So wurde er überall als „ehrlicher Meir“ bekannt. Nur eines tat ihm Leid: Wegen seines Geschäfts hatte er wenig Zeit für sein geliebtes Tora-Studium.
Eines Tages beschloss er, nur noch halb so viel zu arbeiten und die gesparte Zeit mit der Tora zu verbringen. Seine Frau machte sich Sorgen, aber er beruhigte sie:
„Meinst du nicht, dass G-tt uns in diesen drei Tagen genug geben kann?“
Sie wollte antworten: „Natürlich kann er das – aber wird er es tun?“
Doch sie hielt sich zurück und beschloss abzuwarten. Wie sich herausstellte, blieb ihr Einkommen gleich, und Meir machte beim Tora-Studium große Fortschritte.
Eines Tages ging die Frau zu Meir, um mit ihm über die Hochzeit ihrer Tochter Mirele zu reden. „G-tt war gut zu uns, und wir müssen gewiss dankbar sein. Aber unsere Tochter wird nicht jünger, und es ist Zeit, für ihre Aussteuer zu sparen.“ Meir sah sie an und sagte:
„G-tt hat sich bisher um uns gekümmert. Vertraue ihm und hör auf, dir Sorgen zu machen.“
Aber seine Frau fand keine Ruhe. „Meir, wir dürfen uns nicht auf Wunder verlassen. Vielleicht wäre es besser, wenn du wieder den ganzen Tag arbeiten würdest wie früher.“
Meir antwortete: „Was du sagst, mag stimmen, aber vergiss nicht meinen ‚stillen Teilhaber‘ – G-tt. Hast du nicht mit eigenen Augen gesehen, dass wir nichts verloren haben, seit ich mehr Zeit mit meinem ‚Partner‘ verbringe? Ich kann mein Studium der Tora nicht aufgeben, schon gar nicht jetzt, wo wir G-tt mehr brauchen denn je.“ Da konnte seine Frau nur noch aus ganzem Herzen „Amen“ sagen.
Eine Weile später kam ein Bauer mit einer großen Honigwabe in einem Holzblock zum Markt. Mehrere potenzielle Käufer sprachen ihn an, aber er wies sie ab und sagte: „Ich verkaufe nur an den ehrlichen Meir.“ Er blieb so lange sitzen, bis ihm jemand am späten Nachmittag erklärte, Meir werde an diesem Tag nicht mehr kommen.
Also ging der Bauer zum Haus von Meir, wo ihn dessen Frau begrüßte. „Mein Mann ist gerade nicht zu Hause“, sagte sie und bat ihn, ein wenig zu warten, während sie Meir holte.
Meir maß die Wabe aus und hob sie hoch; dann machte er sein Angebot: „Nach Größe und Gewicht zu urteilen, selbst wenn man das Holz berücksichtigt, dürfte sie eine Menge Honig enthalten.“
Die beiden Männer einigten sich auf einen Preis, den sie beide für fair hielten. Allerdings hatte Meir nicht so viel Geld bei sich. Seine Frau mischte sich ein: „Ich werde versuchen, das Geld von einem Nachbarn zu borgen.“
Meir bot dem Bauern eine Tasse Tee an. Dann fragte er ihn: „Woher hast du diese seltsam Wabe?“
br> Der Bauer antwortete: „Ich sammelte Brennholz im Wald. Als mein Karren voll war, stieg ich auf und schlief ein. Aber mein Pferd muss wohl ein Stück gewandert sein, denn als ich aufwachte, befand ich mich in einem anderen Teil des Waldes vor einem Baumstumpf. Bienen schwirrten herum, und weil ich selbst Imker bin, sprang ich vom Wagen und entfernte die Bienenkönigin mit einem langen, dünnen Zweig aus dem Bienenstock. Ich versuchte, die Wabe herauszuholen, aber das war unmöglich, ohne sie zu zerbrechen. Deshalb kam ich auf die Idee, den Stumpf abzusägen.“ Als der Bauer mit seinem Bericht fertig war, kehrte Meirs Frau mit dem Geld zurück.
Meir gab es dem Bauern, der sich voller Freude verabschiedete. Meirs Frau begann den Honig herauszuholen. Sie zog erst zwei, dann drei schwer beladene Waben heraus und schob dann eine lange Schöpfkelle hinein. Aber jetzt fand sie nur noch eine tiefe, leere Höhle.
Die arme Frau erschrak. Nun hatten sie Schulden und besaßen nur ein bisschen Honig und ein Stück Holz! Sie rief ihren Mann herbei, der ebenfalls entsetzt war. „Was sollen wir tun?“, jammerte die Frau.
Meir wusste sich keinen Rat, aber er wollte nicht aufgeben und sagte: „Hol deinen längsten Kochlöffel. Vielleicht finden wir doch noch etwas in der Höhle.“
Meir führte den Löffel in die hölzerne Höhle ein, und siehe da, der Löffel füllte sich mit Goldmünzen und Juwelen! Seine Frau fiel fast in Ohnmacht; doch als sie sich erholt hatte, fragte sie ihren Mann: „Glaubst du, G-tt hat uns diesen Schatz geschenkt?“ Ihr Mann schaute sie lächelnd an. „Vielleicht, aber ich glaube, die Erklärung ist einfacher.
Wahrscheinlich hat jemand diese Wertsachen vor Jahren versteckt und aus irgendeinem Grund nicht mehr geholt. Und G-tt entschied, dass es keinen Grund mehr gab, den Schatz zu verbergen, weil wir das Geld brauchen, um unsere Kinder zu verheiraten und Gutes zu tun. Wie du siehst, wurde der Bauer für seine Arbeit belohnt, und wir wurden noch reicher belohnt, weil wir an G-tt glaubten und ihm vertrauten.“
ב"ה
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