1. Es gibt neben dem Sitzen in der Sukka weitere Gebote, welche das Laubhüttenfest bestimmen, trotzdem ist aber dieses Fest nach den Laubhütten benannt, nicht nach den anderen Geboten, wie z.B. nach den Hebens der vier Arten (Palmwedel, Myrte, Weidenzweig, Etrog – Anm. d. Übers.).
Einer der Gründe dafür besteht darin, dass das Gebot des Sitzens in der Laubhütte einen Vorzug vor dem Gebot des Schwenkens der vier Arten hat, denn das Gebot der Laubhütte ist mit allen Tagen des Festes verbunden. Gleich vom ersten Moment, vom Heiligen des Festes (hebr. Kiddusch, der Segen über den Wein, mit dem das Fest seinen Anfang nimmt – Anm. d. Übers.) an, besteht dieses Gebot des Sitzens in der Laubhütte. Das Gebot des Hebens der vier Arten hingegen, wird – wie zu Zeiten des Tempels – erst ab dem Morgen des Festes verpflichtend.
Doch die Besonderheit des Sitzens in der Sukka erschöpft sich nicht darin, dass dieses Gebot von der ersten Minute an, nachdem man das Fest geheiligt hat, gültig ist, es ist sogar noch eine Vorbereitung vor dem Laubhüttenfest erforderlich. Denn da die Sukka ja ein Gebäude von drei, oder nach unserem Brauch1 sogar vier Seiten sein soll, und eigens angefertigt werden muss, so muss sie vor dem Festtag vorbereitet werden, wobei auch diese Vorbereitung der Sukka bereits die Erfüllung eines Gebotes2 ist. Die vier Arten hingegen können ganz und gar am Festtag selbst vorbereitet werden.
Es besteht noch ein weiterer Unterschied zwischen der Sukka und den vier Arten. Die vier Arten sind nämlich in der Hinsicht begrenzt, dass man, nachdem man das entsprechende Gebot erfüllt hat, dieser Pflicht genügt hat. Vom Gebot des Sitzens in der Sukka hingegen wird gesagt „euer Sitzen soll wie ein Wohnen sein“3. Daher versteht es sich, dass es unsinnig wäre zu behaupten, man habe diesem Gebot Genüge getan, sondern es durchzieht alle Tage des Festes.
Das Gebot des Sitzens in der Sukka entsteht also mit dem Heiligen des Festes und es hat bis zum Ausgang der Festtage Bestand.
2. Ein weiterer Vorteil des Gebotes der Sukka über alle anderen Gebote – auch dem der vier Arten – lautet wie folgt:
Alle Gebote beziehen sich auf bestimmte Handlungen und umgeben derart den Menschen bei bestimmten Handlungen: dieses Gebot erfüllt man mit jenem Körperteil und jenes Gebot erfüllt man mit einem anderen Körperteil. Es werden also nicht alle Handlungen erfasst. Bei dem Gebot der Sukka gilt hingegen – euer Sitzen soll wie ein Wohnen sein. Dies bezieht sich auf alle Handlungen, die man tut. Selbst das Sorgen um die eigenen persönlichen Bedürfnisse, in der selben Weise, wie man sie vor einer Woche getan hat, werden nun zur Erfüllung eines Gebotes.
Doch noch mehr als dies. Bekanntlich sagen unsere Meister seligen Andenkens4 „ein Mensch, der kein Haus hat, ist kein Mensch“, d.h. sein Sein als Mensch bleibt lückenhaft, denn um Mensch zu sein, bedarf man eines Heimes, in dem man wohnt. Diese Vorzug des Heims bezieht sich aber nicht nur auf jene Zeiten, zu denen man in der Wohnung weilt, sondern auch auf jene Zeiten, wo man sich auf dem Markt befindet, denn auch dann ist man dadurch ein ganzer Mensch, da man ein Heim hat, in dem man wohnt.
Daraus ergibt sich, dass zur Zeit von Sukkot – euer Sitzen soll wie ein Wohnen sein – für die gesamten sieben Tage, die Sukka die Wohnung eines Menschen ist. Durch sie wird der Mensch als solcher zu einem ganzen Wesen, ob er sich nun gerade in ihr befindet oder nicht. Ausschlaggebend ist, dass man die Sukka zu seiner Wohnung bestimmt – und schon bleibt man stets mit dem Gebot des Sitzens in der Sukka verbunden.
3. Der Monat Tischrei ist ja ein Monat, der für das ganze Jahr steht5. Daher versteht es sich, dass alle Gebote, welche mit diesen Monat verbunden sind, eine Anweisung für den G“ttesdienst im Verlauf des ganzen Jahre darstellen. Aus dem Gebot des Sitzens in der Sukka ergibt sich die folgende Anweisung:
Von jedem Juden wird gefordert: „auf all deinen Wegen sollst du Ihn erkennen“6, d.h. dass alle Handlungen, die man ausführt, mit G“tt verbunden sein sollen – der G“ttesdienst soll nicht nur auf die Zeiten des Torastudiums und des Betens begrenzt sein. Wenn man sich also mit alltäglichen Verrichtungen beschäftigt, so sollen diese Verrichtungen mit G“tt verbunden sein. Die Kraft und die Stärke dies zu bewirken erhält man wiederum durch das Ausführen des Gebotes der Sukka.
Beim Gebot der Sukka gilt ja, dass auch, wenn man in der Sukka schläft, damit ein Gebot G“ttes erfüllt. Und auch, wenn man sich gar nicht in der Sukka befindet, so bleibt man doch mit diesem Gebot verbunden. Und daraus muss man für das ganze Jahr die Stärke schöpfen, welche nötig ist, um alle Handlungen in den Dienst G“ttes zu stellen.
4. In der Gemara wird das Gebot der Sukka ein leichtes Gebot genannt7. Denn wenn ein Jude den klaren Entschluss fasst, ein Diener des Königs aller Könige, des Heiligen, gelobt sei er, zu sein, so wird es ihn leicht fallen, diesen Entschluss in die Tat umzusetzen, ohne dabei seine eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen. So kann dann dieser Jude dem Heiligen, gelobt sei er, hier in den Tiefen eine Wohnung bereiten.
Wenn man nun all seine persönlichen Bestrebungen in Wohnungen G“ttes verwandelt, so werden dadurch all seine Taten aus der weiten und offenen Hand G“ttes belohnt, in Allem, was man benötigt – Kinder, Gesundheit und Lebensunterhalt.
Eins mit der Quelle
5. Zum Fest des Wasserschöpfens steht geschrieben8 „Schöpft mit Hingabe Wasser aus den Quellen der Erlösung“. Dies heißt also, dass das Wasser, welches man zum Übergießen des Altars schöpfte, Quellwasser sein sollte. Wenn man versucht, dies allein anhand des allgemein bekanntem Teil der Tora (hebr. Nigle – Anm. d. Übers.) zu verstehen, so stößt man auf einen Widerspruch, da der Rambam erläutert9, dass man, wenn kein Wasser aus der Schiloach-Quelle zur Verfügung stand, auch Wasser aus dem großen Becken (hebr. Kior – Anm. d. Übers.) zu nehmen pflegte, welches nicht als Quelle bezeichnet werden kann. Es ist darüber hinaus bekannt, dass man auch das Wasser aus einer Mikwe für das große Becken, und somit auch für das Übergießen des Altars10 nutzen konnte.
Es kommt also nicht darauf an, woher man das Wasser schöpft – ob aus Quellen oder von anderen Orten. Es kommt darauf an, dass man dieses Wasser voller Freude und Hingabe schöpft – und dadurch wird es von selbst aus den Quellen der Erlösung kommen.
6. Der Vorzug von Quellwasser gegenüber anderem Wasser ist zweierlei:
a) Quellwasser reinigt, ungeachtet seiner Menge11. Anderes Wasser muss in einer gewissen Mindestmenge vorhanden sein, damit es eine (rituelle, und somit spirituelle – Anm. d. Übers.) Reinigung bewirken kann. Bei Quellwasser reicht es aus, dass es mit seiner Quelle verbunden ist, da es aufgrund seiner Qualität, nicht seiner Quantität reinigt.
b) Quellwasser reinigt selbst dann, wenn es nicht an einem bestimmten Ort gesammelt ist, sondern über der Erdoberfläche fließt. Anderes Wasser muss sich an einem Ort befinden, welcher es aufnimmt und dessen Menge bestimmbar macht. Bei Quellwasser, wenn dies mit der Quelle verbunden ist, ist dies nicht erforderlich12.
Die Bedeutung des Gesagten auf spiritueller Ebene ist wie folgt: Wenn man sich, getrennt von der Quelle, auf die eigenen Kräfte und auf die eigenen Urteile verlassen will, so müssen dafür einige Bedingungen erfüllt werden. Es bedarf einer Mindestmenge an Wasser, also eines Mindestmaßes an Verstand und Fähigkeiten. Dieses Maß muss ausreichen, um den ganzen Körper zu umfassen und es muss durch ein außerhalb des eigenen Wesens Stehendes gemessen und gehalten werden. Es muss also ein Anderer sein, der einschätzt, ob das eigene Maß die Mindestmenge besitzt. Und wenn man nicht die erforderlichen Bedingungen erfüllt um den Anderen zu reinigen, so kann ganz gewiss nicht die Rede davon sein, dass man in der Lage ist, sich selber zu reinigen. Denn dieses Wasser selber kann Unreinheiten annehmen.
Wenn man aber zur Quelle selber vorgedrungen ist, so reinigt das Wasser unabhängig von seiner Menge und auch, wenn es nur über der Oberfläche fließt. In diesem Fall entfallen alle Bedenken.
Ob man jetzt selber über beträchtliche eigene Kräfte verfügt oder über nur wenig – wenn man sich mit der Quelle verbindet, so wird man in die Weite geführt. Und nicht nur, dass man keine Unreinheit annimmt, man ist noch darüber hinaus in der Lage, jede Unreinheit, selbst die schlimmste (so, wie das Wasser mit der Asche der roten Kuh), zu entfernen. Denn wenn man so wirkt, dann nicht etwa anhand der eigenen Kräfte, sondern weil man mit der Quelle verbunden ist.
7. Gemäß dem oben Erklärten, kann man nun auch den Schriftvers „Schöpft mit Hingabe Wasser aus den Quellen der Erlösung“ verstehen.
Das Übergießen des Altars mit Wasser steht in spiritueller Hinsicht im G“ttesdienst des Menschen für das Auf-sich-Nehmen des Joches von Tora und Mizwot. Denn dies ist der Unterschied zwischen Wasser und Wein: Wein schmeckt, steht also für das Ergründen und Begreifen (Geschmack, hebr. „Ta'am“ bedeutet auch Grund und Ursache – Anm. d. Übers.). Wasser an sich wiederum erfreut den Menschen nicht mit seinem Geschmack. Es steht daher für das Tun einer Tat, weil die Pflicht dies gebietet.
Wenn man aber das Wasser mit Hingabe schöpft, wenn man also nur ein wenig Wasser ohne jeden Geschmack zu Tage bringt, dies aber voller Freude tut, weil man jenes Wasser über den Altar G“ttes gießen wird, so wie Er es geheißen hat, so werden dadurch dieses Wasser zu den Quellen der Erlösung. Diese Wasser reinigen, ungeachtet ihrer Menge und auch, wenn sie nur über der Oberfläche fließen weil sie mit ihrer Quelle verbunden sind. Und von jener Quelle entspringt die Erlösung in allen Bereichen, eine Erlösung, welche in keiner Weise durch die eigenen Kräfte begrenzt wird, weil man eins mit der Quelle ist.
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