In Modziboz, wo der heilige Rabbi Israel Baal Schem Tow lebte, wohnte auch ein junger Mann namens Elia Sokolover. Dieser war von den wunderbaren Lehren des großen Mannes und von der Haltung seiner frommen Anhänger stark beeindruckt. Eines Tages kam ihm zu Ohren, der Baal Schem Tow habe seinen Schülern angeraten, jeder, der sein Gebet im Himmel erhört haben möchte, solle die Gebete zusammen mit ihm (dem Baal Schem Tow) Wort für Wort sagen.
Am nächsten Morgen stand Elia Sokolover früh auf, um rechtzeitig dabei zu sein, dem Baal Schem Tow während des Morgengebetes zu folgen. In Tallit und Tefillin wartete Elia klopfenden Herzens, bis der verehrte Meister die "Schul" betrat und das Morgengebet begann. Der Baal Schem Tov sagte "Adon", und Elia wiederholte nach ihm "Adon"; gleichzeitig bemühte er sich, aus dem Wort so viel Verständnis herauszuholen, wie es in seinen Kräften stand. Der heilige Rabbi Israel fuhr fort mit "Olam", und seine schwingende Stimme verriet eine tiefe Einsicht in die Erschaffung und das Wirken der Welt. Auch Elia Sokolover wiederholte "Olam" mit aller Konzentration auf das Wort, deren er fähig war.
Und als so der Meister weiter seine Gebete sprach, folgte Elia ihm getreu Wort für Wort; seine Stimme war ausdrucksvoll und gefühlvoll. Dasselbe geschah nun jeden Morgen, und mehr und mehr erwachte in Elia das Gefühl, dass er jetzt den Weg betreten hatte, um dazu kommen, den wahren Gehalt der Gebete zu verstehen.
Eines Morgens hörte Elia während der Psalmen vor "Borchu" wie der Baal Schem Tow die Worte (Psalm 147, 10) "lo big'wurat hasus jechpatz" (Er findet keinen Gefallen an der Kraft des Pferdes) nochmals und nochmals wiederholte. Zuerst sprach auch Elia die Worte, wie gewöhnlich, getreu nach. Schließlich jedoch, als der Meister nicht aufhörte, dieselben Worte noch weiter in steter Wiederholung zu rezitieren, verlor Elia die Geduld und betete für sich allein weiter. Denn er konnte nicht begreifen, welch besondere Bedeutung diesem Satz innewohnte, der von G-ttes Missfallen an der Kraft des Pferdes handelte. Von jenem Morgen an hörte Elia auf, zusammen mit dem Baal Schem Tow zu beten, und er betete für sich allein.
Einige Zeit danach besuchte Elia Sokolover den Baal Schem Tow. Der große Mann fragte ihn: "Sagt mir, Reb Elia, warum habt Ihr mich und mein Morgengebet im Stich gelassen?"
Elia antwortete wahrheitsgemäß, dass ihm Rabbi Israels andauernde Wiederholung über G-ttes Missfallen an der Kraft des Pferdes unverständlich gewesen war.
"Ach, das ist es?", erwiderte der Baal Schem Tow. "Das hätte Euch eigentlich in keiner Weise dazu bringen sollen, Eure Absichten zu ändern.
Hättet Ihr nur etwas weiter ausgeschaut, dann hättet Ihr selbst einen guten Grund dafür finden können. Seht, es war – wie Ihr Euch erinnern werdet – ein Freitag; und wie es sich ergab, war viele Meilen entfernt ein Jude unterwegs, dem klar wurde, dass er die nächste Stadt vor Sonnenuntergang nicht erreichen würde. So beschloss er, den Schabbat auf einem Felde neben der Strasse zu verbringen. Da schwang sich gerade ein berüchtigter Wegelagerer auf sein Pferd, mit der Absicht, einen bewaffneten Raubüberfall durchzuführen. Bald ritt er auch schon tief durch die Wälder, und zwar direkt in die Richtung auf eben diesen Juden. Des Juden Leben und Eigentum waren in unmittelbarer Gefahr.
Daher wiederholte ich jene Stelle im Gebet so lange, bis sich dadurch der Wegelagerer völlig in den Wäldern verirrte, den Weg heraus nicht finden konnte und ihm nichts anderes übrig blieb als nach Hause zurückzukehren."
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