Im Urlaub einen Autounfall zu haben ist nicht angenehm. Aber es passiert. Meine Frau Annette und ich fuhren durch die Schweiz, um nach Frankreich zu gelangen. Annette hatte ein schlechtes Gefühl, eine dunkle Vorahnung, sie wollte nicht über die Schweiz fahren, aber wir wählten diese Route trotzdem. Annette saß hinter dem Steuer.
Wir gelangten an eine fünfspurige Kreuzung. Der Weg war frei, also fuhren wir weiter. Und dann sah ich auf der Seite ein Auto, das direkt auf uns zukam. Ich hatte noch Blickkontakt mit dem Fahrer, bevor er in unser Auto krachte.
Annette erlitt leichte Prellungen an den Füßen und ich schlug mit dem Kop gegen den Türstock. Die Polizei war in ungefähr 45 Sekunden vor Ort, regelte den Verkehr, schleppte unser Auto an den Straßenrand und sorgte sich um unser Wohlergehen. Sie organisierten Eisbeutel für unsere Beulen und warteten, bis der Autoverleih ein Ersatzfahrzeug ausfindig gemacht hatte. Ein paar Stunden später hatten wir ein neues Auto und waren wieder auf dem Weg.
Als wir zurück in Conneticut waren, bemerkte ich, dass mein Richtungssinn scheinbar in Europa geblieben war. Ich konnte mich an die einfachsten Strecken nicht mehr erinnern. Nach dem Einkauf beim Bäcker oder im Supermarkt fand ich nicht mehr nach Hause. Wenn ich alleine unterwegs war, musste ich ständig über mein Mobiltelefon Richtungen erfragen.
Diverse Untersuchungen deuteten darauf hin, dass keine bleibenden Schäden vorlagen. Mein Doktor sagte, es handle sich wahrscheinlich um eine Gehirnerschütterung und mein Richtungssinn würde wiederkehren. Irgendwann.
Ein paar Monate später bat man uns, Gastgeber für Rabbi Laibl Wolf aus Australien zu sein, der in unserer Gemeinde eine Vortragsreihe halten würde. Als ich ihn zum ersten Vortrag in eine Synagoge nebenan bringen wollte, fuhren wir durch die halbe Stadt, aber irgendwie kamen wir schließlich an. Am nächsten Vormittag zeigte ich ihm das Hauptquartier von Pepsi Company. Als wir zum Auto zurück wollten, konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr an den Weg zum Parkplatz erinnern. Rabbi Wolf führte mich, ein Häufchen Verzweiflung, zum Auto zurück.
Zu Hause sagte mir Rabbi Wolf, dass er eine Lösung für mein Gedächtnisproblem sehe. Ich horchte auf. Wie das? Rabbi Wolf erklärte mir auf Grundlage alter jüdischer Texte, dass das Anlegen von Tefillin helfen würde.
Ich war enttäuscht. Ich fühlte mich betrogen von Rabbi Wolfs gesamter Präsentation am vorhergehenden Abend. Als ich seinen Vortrag gehört hatte, dachte ich, er sei ein „aufgeklärter“, „fortschrittlicher“ Gelehrter, „obwohl“ er orthodox war. Und hier sagt er mir unverblümt: „Denk nicht darüber nach. Stell keine Fragen, tu es einfach. Just do it.“
Nun, er war mein Gast. Und weil ich gelernt hatte, Gäste höflich zu behandeln, stimmte ich zu. Es war so einfach wie 1, 2, 3. Leg die Riemen an, sag das „Schma Israel“, und nimm sie wieder ab. Das ist alles. Drei Minuten später verließ er das Haus und ich fuhr in die Arbeit. Ich verirrte mich auf dem Weg in die Arbeit und auch auf dem zurück. Mein Gehirn fühlte sich wie Reisbrei an. Vielleicht braucht es ein bisschen Zeit, um einzuwirken, tröstete ich mich.
Am nächsten Tag legte ich die Tefillin wieder an, die Wirkung blieb dieselbe – meine Frau musste mich über das Mobiltelefon zur Arbeit dirigieren.
Das kann es nicht sein, was Rabbi Wolf meint, dachte ich mir. Ich beschloss, ihn noch einmal über diese „alternative Therapie“ zu fragen. Er erklärte mir, dass das „Schma Israel“-Gebet aus drei Absätzen mit insgesamt 248 Worten besteht. Diese 248 Worte entsprechen den 248 Körperteilen und Organen des Menschen. Um zu gewährleisten, dass alle Körperteile und Organe gesund bleiben, spricht man alle 248 Worte. Das hatte ich nicht gewusst!
Am nächsten Morgen beschloss ich, das „Schma“ mit den drei Absätzen zu sagen. Das klingt vielleicht ein bisschen seltsam, aber mein Gedächtnis kehrte zurück! Ich hatte plötzlich meinen normalen Richtungssinn wieder, und nicht nur das – ich konnte mir sogar Strecken visuell in meinem Kopf vorstellen, was ich vorher nie so recht geschafft hätte.
Ich habe bis heute nicht herausgefunden, welches der 248 Worte für mein Gehirn verantwortlich ist, aber das ist auch nicht so wichtig. Jeden Tag vor dem Morgensport lege ich die Tefillin an und sage dieses Gebet. Ich weiß nicht warum, aber es hilft.
Steve Batkin, ein Versicherungskaufmann, lebt mit Frau und Kindern in Greenwich, Conneticut.
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