I. Der Rebbe, mein Schwiegervater, begann einmal ein Farbrengen mit dem Konzept „Die Schechina schwebt über jeder Versammlung von zehn Personen.“1

In Wirklichkeit „gibt es keinen Ort, an dem Er nicht präsent ist“2, d. h. G-tt ist überall; was ist dann die Bedeutung einer Versammlung von zehn Personen?

Wenn sich zehn Juden versammeln, ist die Schechina deutlich manifester präsent. Das wiederum macht es leichter, zu einem religiösen Erwachen zu kommen.3

In der Tat „gibt es keinen Ort, an dem Er nicht präsent ist.“ Damit sich dieser Grundsatz auf den Menschen auswirkt, bedarf es jedoch einer ernsthaften rationalen Betrachtung: Man muss bedenken, dass G-tt das Universum erschaffen hat und es kontrolliert, was an sich schon bedeutet, dass Er allgegenwärtig ist – immer und überall.

Bei einer Versammlung von zehn Juden wird man jedoch dazu angeregt, Tora zu studieren und Mizwot zu befolgen, auch ohne über die Bedeutung dieser Versammlung nachzudenken. Die verstärkte Manifestation der G-ttlichkeit wird von selbst eine Erregung der Seele hervorrufen.

II. Es gibt drei Aspekte: Olam (Welt), Schana (Jahr) und Nefesch (Seele; Lebenskraft).4

Nefesch unterliegt unterschiedlichen Bedingungen, so dass es einen außerordentlichen Vorteil darstellt, wenn zehn jüdische Seelen zusammenkommen. Ebenso gibt es unterschiedliche Bedingungen in „Zeit“ und „Raum“, den Aspekten von Schana und Olam:

Es ist ein großer Unterschied, ob man sich in einer Bet haKnesset (Synagoge), einem Bet haMidrasch (Haus des Tora-Studiums), einer Jeschiwa befindet oder auf der Straße bzw. einem ähnlichen Ort. Allein die Tatsache, dass man sich an einem heiligen Ort befindet, bewirkt ein spirituelles Erwachen.

Ebenso gibt es einen großen Unterschied im Kontext der „Zeit“: An einem Schabbat, einem religiösen Fest oder in Aseret Jemej Teschuwa ist man in einer anderen Geisteshaltung als im Rest des Jahres.

Wie viel mehr trifft dies zu, wenn man eine Kombination aus allen dreien hat: wir haben hier zehn Juden, tatsächlich ein Vielfaches von zehn; wir befinden uns gegenwärtig in Aseret Jemej Teschuwa, der Zeit, von der es heißt5 „Suchet den Ewigen, solange Er gefunden werden kann, rufet Ihn an, solange Er nahe ist6, d. h., G-tt ist jedem nahe, egal, wer er ist und wo er ist; und wir befinden uns in dem Gebäude, in dem der Rebbe, mein Schwiegervater, zehn Jahre lang gebetet und die Tora studiert hat.7 Die Kombination dieser drei Faktoren ist daher sicherlich eine günstige und angemessene Zeit und Gelegenheit, um in allen Angelegenheiten von Tora und Mizwot, die sich auf das tägliche Leben beziehen, berührt und ergriffen zu werden.

Schließlich besteht das ultimative Ziel der Tora darin, dass man sich so verhält, wie es sich gehört, nicht nur in der Gesellschaft von zehn Personen in einer Bet haKnesset, Jeschiwa oder in der Zeit von Aseret Jemej Teschuwa. Man muss sich die ganze Zeit und überall so verhalten, wie es dem spirituellen Erwachen entspricht, das man während der Aseret Jemej Teschuwa inmitten der Gemeinschaft in einer Synagoge erlebt.

Die Aseret Jemej Teschuwa verleihen uns die Fähigkeit und Stärke, uns richtig zu verhalten und G-tt das ganze Jahr über nahe zu sein.

Der Allmächtige ist der wahre und alleinige Herr der ganzen Welt. So wie es heißt: „Vollführe Seinen Willen, als wäre es dein eigener Wille, so wird Er deinen Willen vollführen, als wäre es Sein Wille“8, indem Er jedem alle seine Bedürfnisse gewährt, sowohl geistig als auch materiell.

III. In diesem Kontext können wir den Zusammenhang zwischen dem Tag von Jom Kippur und dem Gebet des Hohepriesters unmittelbar nach der Awoda [dem Darbringen des Räucherwerks im Kodesch haKodaschim (dem Allerheiligsten)] verstehen:9

Jom Kippur ist der heiligste Tag des Jahres (Aspekt von Schana), an dem das Erwachen der Seele (Aspekt von Nefesch) viel größer ist als an den anderen Tagen des Jahres, und man verbringt die meiste Zeit des Tages am heiligen Ort einer Synagoge (Aspekt von Olam) – und besonders speziell war dies zur Zeit des Bet haMikdasch, als der Kohen Gadol (Hohepriester) das Allerheiligste betrat. Doch unmittelbar nach Abschluss der Awoda [des Räucherwerks] rezitierte der Kohen Gadol ein kurzes Gebet zu G-tt für den Lebensunterhalt aller Juden.10 Weil wir mit G-tt verbunden und Ihm nahe sind, können wir G-tt alles entlocken, was wir brauchen, ohne aufwendige Gebete sprechen zu müssen. Ein kurzes Gebet ist dann ausreichend für ehrenvollen Lebensunterhalt und für Kinder – sogar im buchstäblichen physischen Sinne, wie es im kurzen Gebet des Kohen Gadol zum Ausdruck kommt.

IV. Ich wünsche jedem von euch viel Erfolg in all euren persönlichen Angelegenheiten sowie viel Erfolg in eurer Arbeit für die Jeschiwa, damit die Jeschiwa „Tomchej Temimim“ ihre Türen öffnen kann, um viele weitere Studenten aufzunehmen, die schließlich zu führenden Persönlichkeiten in Israel werden und G-ttlichkeit in der ganzen Welt verbreiten.

So werden wir – zusammen mit ganz Israel – den Verdienst haben, zum Guten besiegelt zu werden.

(Diese Sicha wurde vor Unterstützern der Jeschiwa „Tomchej Temimim“
am 6. Tischrej 5716 gehalten.)