Der große Gelehrte Rabbi Jonatan Eibeschiz war für seine enorme Bildung und Klugheit bekannt. Dem Gouverneur der Stadt Metz machte es Spaß, den Rabbi auf die Probe zu stellen. Er erließ Dekrete gegen die Juden und wusste, dass Rabbi Eibeschiz bald in den Palast stürmen und für seine Brüder und Schwestern bitten würde. Dann stellte der Gouverneur dem Rabbi eine schwierige Frage, um ihn bloßzustellen. Zum Glück besiegte der Rabbi seinen Feind immer, und das böse Dekret wurde aufgehoben.

Einmal setzte der Gouverneur den Juden eine Frist und befahl ihnen, sich taufen zu lassen. Wenn sie sich weigerten – und er wusste, dass sie es tun würden –, sollten sie verbannt werden. Natürlich würde der Rabbi wieder versuchen, seine Leute zu retten; aber diesmal sollte es ihm nicht gelingen!

Die Juden von Metz waren entsetzt. Niemand wollte konvertieren, aber was sollten sie tun? Rabbi Eibeschiz eilte zum Gouverneur und sagte: „Exzellenz, warum bestraft Ihr eine ganze Gemeinde aus unschuldigen Seelen? Ich bitte Euch, unschuldigen Frauen und Kindern kein Leid zuzufügen.“

Der Gouverneur lächelte kalt. „Im Gegenteil, mein lieber Rabbi. Ich trage nur dazu bei, eine Prophezeiung in der Bibel zu erfüllen:

,Großes Leid wird geschehen, so schrecklich wie nie zuvor und nie mehr danach.’ Diese Passage spielt auf die Juden an, und für mich ist es eine große Ehre, die Voraussage zu erfüllen.“

Jetzt kam der Augenblick, auf den der Gouverneur voller Freude gewartet hatte. Mit unterdrückter Häme fuhr er fort: „Trotzdem, lieber Freund, gebe ich dir die Chance, mein Dekret aufzuheben. Du brauchst mir nur ein paar Fragen zu beantworten. Bist du einverstanden?“

„Ja, bitte stellt Eure Fragen.“

„Zuerst sage mir ohne Zögern, wie viele hebräische Buchstaben der Satz enthält, den ich eben zitiert habe.“

Sofort sagte Rabbi Eibeschiz: „So viele Buchstaben wie Jahre Eures Lebens, nämlich sechzig.“

Der Gouverneur war verblüfft, aber nicht entmutigt. Er stellte seine nächste Frage: „Und wie viele Wörter enthält der Satz?“

Der Rabbi antwortete ebenso schnell: „Siebzehn Wörter, so viele wie unser berühmtes Sprichwort , Israel lebt ewig – Am Jisrael Chai L’Olmai Ad’.“

Der Gouverneur konnte seine Bewunderung nicht verbergen. „Wundervoll! Nun sag mir, wie viele Juden in Metz und Umgebung leben!“

Wieder zögerte Rabbi Eibeschiz nicht: „In Metz und allen seinen Vorstädten leben 45 760 Juden, Exzellenz.“

Jetzt war der Gouverneur eine Weile sprachlos. Doch bald riss er sich zusammen und stellte seine letzte, unmögliche Forderung: „Ich möchte, dass du ,Israel lebt ewig’ 45 760 Mal auf ein Pergament schreibst, das so groß wie eine Mesusa-Rolle ist.“ Diesmal, dachte er, hatte er gewonnen, und er grinste zufrieden.

Rabbi Eibeschiz erbleichte, als er diesen absurden Befehl hörte. „Wie viel Zeit habe ich dafür?“, fragte er.

„Ich gebe dir eine Stunde“, war die triumphierende Antwort. „Und denk daran, dass das Schicksal deiner unglücklichen Brüder und Schwestern in deinen Händen liegt.“

Rabbi Eibeschiz ging und kehrte eine Stunde später in den Palast zurück. „Exzellenz, ich halte ein Pergament in der Hand, das fünf mal zehn Zentimeter groß ist. Darauf steht ein Anagramm, das Eure Forderung erfüllt. Meine Zeichnung enthält fünfzehn hebräische Buchstaben in der Diagonalen und neunzehn von oben nach unten.“

Der Gouverneur traute seinen Ohren nicht. Er nahm das Pergament, und starrte es verständnislos an. Der Rabbi erklärte: „Wenn Ihr dies lest, seht Ihr die Worte ‚Am Jisrael Chai L’Olmai Ad’, in jeder Richtung geschrieben, insgesamt 45 760 Mal.“ Der Gouverneur war zu verblüfft, um zu antworten, und der Rabbi fuhr fort: „Jetzt bitte ich Euch, das Dekret aufzuheben, bis Ihr den Code aufgelöst habt; denn das kann eine Weile dauern.“

Der Gouverneur war einverstanden. Man sagt, er habe Rabbi Eibeschitz’ Anagramm ein ganzes Jahr lang studiert, um alle Wortkombinationen zu entdecken. Dann ließ er den Rabbi rufen. Er umarmte ihn und sagte: „Jetzt weiß ich, dass euer G-tt seine Weisheit an seine Anhänger weitergegeben hat.“ Der Gouverneur plagte die Juden seiner Stadt nicht mehr und hielt Rabbi Eibeschitz bis ans Ende seines Lebens in hohen Ehren.