In der rabbinischen Literatur wird vermerkt, dass G-tt Bürgen forderte, bevor er dem jüdischen Volk die Tora anvertraute. Das Volk stellte mehrere Kandidaten vor – die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob, Moses und andere Propheten, aber G-tt wies sie alle zurück. Die Menschen schlugen daraufhin spontan vor: „Unsere Kinder werden unsere Bürgen sein.“
G-tt stimmte zu und gab die Tora.
Ehrlich gesagt, scheint dieses Konzept recht einfach und einleuchtend. Wenn man eine Idee oder einen Brauch weitergeben will, muss man die Jugend einbinden. Was uns diese Episode aber vielleicht sagen möchte, ist die Art des Engagements, das von unseren Kindern erwartet wird. Menschen sagen oft: „Ich werde diese Werte an meine Kinder weitergeben. Aber ich werde sie nicht zwingen. Ich werde sie ihre eigene Entscheidung treffen lassen.“
Das Judentum schlägt eine ganz andere Einstellung vor. Bevor das jüdische Volk die Tora am Berg Sinai erhielt, sagten sie zu G-tt: „Wir werden tun und dann hören“, und gingen damit die Verpflichtung ein, die Tora zu befolgen, bevor sie überhaupt wussten, was ihnen G-tt da aufträgt.
Diese Vorgangsweise findet ihre Fortsetzung in der Erziehung unserer Kinder zur Tora. Die erste Sache ist die Tat. Kinder erfüllen die Gebote, ohne die Gründe dafür zu kennen. So wird das Erfüllen von Geboten zu einem integralen Teil ihrer Existenz, während sie heranwachsen. Sie betrachten das Judentum nicht bloß als museales Ausstellungsstück, ausgestopft mit universalen Werten und kuriosen Ritualen, sondern als untrennbaren Teil ihres Daseins, jede Dimension ihres Lebens umschließend.
„Gehirnwäsche“, könnte jemand protestieren. „Dem Kind wird die freie Entscheidung genommen.“
Wird es aber nicht. Unsere Kinder werden immer eine freie Wahl haben. Sie wachsen in einer Welt auf, in der die materiellen Dinge gut sichtbar und problemlos erreichbar sind, und geistige Wahrheiten nur in Büchern besprochen werden. Besteht da ein Zweifel, dass sie jederzeit die freie Wahl haben?
Und die Kinder ohne ein gründliches jüdisches Engagement zu erziehen, gibt dem Kind eine klare Nachricht mit auf den Weg: Dass das Judentum nebensächlich ist, eine lobenswerte Freizeitbeschäftigung vielleicht, aber kein grundlegendes Element unseres Lebens. Welche Wahl lässt das dem Kind?
Schawuot ist das Jubiläum des Empfangens der Tora, ein geeigneter Zeitpunkt, um unsere Verbindung mit ihr zu erneuern und zu vertiefen. Der Lubawitscher Rebbe hat den Brauch populär gemacht, die „Sinai-Erfahrung“ nochmals zu durchleben - Männer, Frauen, Kinder, ja sogar Säuglinge versammeln sich in der Synagoge, um am ersten Tag von Schawuot die Lesung der Zehn Gebote zu hören.
Dieser Brauch ist praktischer Ausdruck des Schawuot-Konzepts – „wir werden tun und dann hören“. Denn egal ob man die Lesung versteht oder nicht, jeder Anwesende wird die spezielle Atmosphäre bei der Lesung der Zehn Gebote schätzen. Und vor allem unsere Bürgen - die Kinder - werden fühlen und verstehen, dass sie eine sehr persönliche Verbindung zur Tora haben.
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