In der antiken Stadt Aleppo in Syrien lebte ein Jude namens Simson. Er war als Rüpel bekannt und meist halb betrunken. Auf dem Markt ging er von Stand zu Stand, legte Waren in seinen Korb und ging ohne zu zahlen. Wenn jemand es wagte, Geld von ihm zu verlangen, starrte er ihn an oder stieß Drohungen aus. Wenn er wütend wurde, warf er den Stand oder Karren um und verprügelte den Inhaber. Schließlich hörte der Rabbiner der Stadt davon. Er rief Simson zu sich und wies ihn gründlich zurecht. Simson tat ganz unschuldig und fragte: „Hat sich jemand über mich beschwert?“ Der Rabbiner musste zugeben, dass dies nicht der Fall war. Natürlich hatten die Leute Angst, sich mit Simson anzulegen.

Eines Tages brachte eine ältere Frau schönes Obst und Gemüse auf den Markt. Simson kam, wählte einige Produkte aus und ging. „Halt, komm zurück – du hast nicht bezahlt!“, rief die Frau. Simson drehte sich um, schaute sie drohend an und schrie: „Halt den Mund, wenn du keinen Ärger willst!“ Dann ging er weiter.

Die Kollegen der Frau überredeten sie, zum Rabbiner zu gehen. Dieser war froh, dass endlich jemand Anklage geben Simson erhob. Sofort ließ er den Sünder zu sich rufen. „Hast du Waren von dieser Frau genommen?“, fragte er ihn.

„Wer behauptet, dass ich nicht zahlen werde?“, lautete die freche Antwort. „Bezahle sofort, oder gib die Waren zurück“, befahl der Rabbiner. „Und wenn das noch einmal vorkommt, musst du eine saftige Strafe zahlen!“ Schweigend bezahlte Simson die Frau. Aber als er ging, hörte Levi, der Diener des Rabbiners, ihn murmeln: „Das wird der Rabbi mir büßen!“

Einige Tage später war der Rabbiner zu einer Beschneidung in einem Nachbardorf eingeladen. Unterwegs passte Levi gut auf. Als er einen Mann erblickte, der sich im Gebüsch verbarg, wusste er, dass es Simson war, und er riet dem Rabbiner umzukehren. Doch der Rabbiner befahl Levi, die Kutsche anzuhalten, denn es war Zeit für die Mittagesgebete. Er betete innig und länger als sonst; dann stieg er wieder in die Kutsche und wies Levi an, im höchsten Tempo weiterzufahren.

Wenige Augenblicke später stand Simson mitten auf der Straße und zwang die Kutsche zum Anhalten. Er eilte zum Rabbiner, ergriff seine Hand und bat ihn weinend um Vergebung. Der Rabbi verzieh ihm unter der Bedingung, dass er sich änderte. Simson versprach es, und sie trennten sich wie gute Freunde.

Levi war verdutzt. Mit einem Zitat aus der Tora erklärte ihm der Rabbiner, was vorgefallen war. „Als Eisaw Jaakows Leben bedrohte, riet Rikwa, die Mutter der beiden, ihrem Sohn Jaakow: ,Wenn du dein Herz von allem Zorn befreist, den du gehegt hast, weil dein Bruder dir so viel Kummer bereitet hat, kannst du gewiss sein, dass auch sein Zorn gegen dich erlischt.’ Nun, ich war sehr wütend auf Simson, aber ich betete zu G-tt, mein Herz von diesem Zorn zu befreien und ihm zu helfen, damit er sein Herz vom Zorn und vom Bösen befreien konnte. Als ich keinen Zorn mehr gegen ihn spürte, sondern Mitgefühl und den starken Wunsch, ihn zu retten, war ich sicher, dass auch sein Herz rein war. Du weißt, was unsere Weisen lehren: So wie Wasser ein Gesicht widerspiegelt, spiegelt ein Herz das andere wider!“