Was steckt hinter der Anziehungskraft der Geschlechter? Sexualität ist ein Bereich bei dem kein Mensch neutral sein kann. Jeder hat seine sexuelle Natur, und jeder hat sexuelle Bedürfnisse. Unsere sexuelle Persönlichkeit wird durch unser Elternhaus, unserer Schule und natürlich durch die Einflüsse der Gesellschaft, in der wir leben, geprägt.

Um aus unserer Sexualität Sinn zu machen, müssen wir und ihren Ursprung anschauen. Woher kommt unsere Sexualität? In diesem Artikel möchte ich mich mit zwei Ansätzen bezüglich dieser Frage beschäftigen.

Ist die Magie und die Romantik, die Musik und das Mondlicht, nur ein Trick der Natur, um Männer und Frauen dazu zu bringen, sich zu vermehren? Einer ist der geläufige, moderne wissenschaftliche Ansatz. Dann werden wir diesen Ansatz mit der Tora vergleichen – insbesondere mit der kabbalistisch chassidischen Perspektive der Tora.

Es gibt, natürlich, viele weltlich – wissenschaftliche Theorien über die Sexualität. Schauen wir uns nun die meist beherrschende Meinung an: die biologisch oder evolutionäre Theorie, die sich zum größten Teil darauf stützt, dass „das Überleben der Stärksten“ die stärkste Kraft der Natur ist. Diese Kraft ist die Quelle aller Eigenschaften, von dem Einzeller die ganze Evolutionäre Kette hinauf bis zu den Tieren und den Menschen.

Aus dieser Perspektive, entstammt unsere Sexualität aus der Tatsache, dass die Bewahrung der Arten durch eine sexuelle Beziehung zwischen Mann und Frau erreicht wird. Demnach wird der Mann nach der fruchtbarsten Frau suchen, die ihm die gesündesten Nachkommen gebären kann. Die Frau wird demnach nach einem Mann suchen, der den gesündesten Samen produziert, der am stärksten ist und die Kinder beschützen kann.

Diese Theorie erklärt viel über unsere Sexualität. Sie erklärt, warum Männer und Frauen sich gegenseitig suchen und paaren. Sie erklärt, warum einige Körpermerkmale beim anderen Geschlecht sehr verführerisch sind, denn sie zeigen Fruchtbarkeit oder Stärke die unabdingbar für den Erhalt der Arten sind.

Eigentlich sagt uns diese Theorie, dass hinter der Mystik und der Schönheit, der Romantik und der Sinnlichkeit, in Wirklichkeit das Urbedürfnis zu existieren und diese Existenz zu sichern steht. Da der Mensch ein Tier ist, welches sich zu einem gewissen Teil kultiviert hat, hat die menschliche Sexualität sich entwickelt, der Verfeinerung des menschlichen Denkens zu entsprechen. Der moderne Mensch sieht sich selber nicht als eine einfache Gebärmaschine. Um zwei Leute zu eine Verbindung zu verleiten, hat die Evolution und Biologie sich verschworen, die sexuelle Tat nicht nur mit Vergnügen aber auch mit Geheimnissen zu erfüllen, die uns entlang der romantischen Reise zwingen.

Wenn man der geliebten bei Kerzenschein tief in die Augen schaut, könnte der Mensch zwar denken, dass er über dem Prinzip von „Überleben des Stärkeren“ steht, aber die Wahrheit ist, dass dieser „Höhenflug“ nur die Art und Weise ist wie die Natur diesen Trieb verpackt. Zwei Menschen umwerben sich demnach genauso wie zwei Bienen. Eine Biene fliegt vielleicht auf eine besondere Art oder verstreut einen besonderen Duft, aber all diese Taktiken sind nur da, um die Nachkommen zu sichern. Ebenso ist die menschliche Sexualität, die Romantik, die Musik und das Mondlicht sind nur die Weise wie die Natur zwei Menschen zusammen führt.

Die Natur ist rücksichtslos. Die Natur muss gewinnen. Nur darum findet die Natur auch Wege, wie sich Männer und Frauen paaren können.

Das war im wesentlichen der wissenschaftliche Ansatz über die menschliche Sexualität. Wenden wir uns nun der Tora zu.

Die Vorstellung der Tora bezüglich der menschlichen Sexualität, wird bereits in den ersten Sätzen von Genesis ausgedrückt. Hier spricht die Torh von einer ganz anderen Kraft: Die Suche nach ihren g-ttlichen Abbild, ihres vollkommenden selbst.

Die Tora beschreibt den Menschen als ein „zweiseitiges“ Geschöpf: „Männlich und weiblich hat Er sie erschaffen, und er nannte sie Mensch.“ G-tt hat dann diese zweiseitige Kreatur in zwei Teile geteilt, und seit jeher suchen sich die geteilten Hälften des g-ttlichen Abbildes und sehnen sich nach einander.

Sie sind nicht halbe Individuen; Männer sind voll ausgebildete Persönlichkeiten und ebenso die Frauen. Dennoch gibt es in ihren trancedentalen Persönlichkeiten, ja in ihrer Ganzheit, Elemente die nicht vollständig sind, wenn sie sich nicht gegenseitig gefunden haben. Etwas fehlt beiden; denn sie waren einmal ein Teil eines großen Ganzen.

Um es etwas mystischer oder g“ttlicher auszudrücken: sie suchen, eins mit G-tt zu werden.

Die Menschen sind in Wirklichkeit eine Einheit; eine männlich-weibliche Einzigartigkeit. Wenn Mann und Frau sich sexuell verbinden, stellen sie das G-ttliche Ebenbild, indem sie erschaffen wurden, wieder her.

Wir haben eine Spaltung zweier Energien, und die Sehnsucht sich wieder miteinander zu vereinen. Die Lehren der Kabbala führen dieses noch weiter aus, und sehen die männlich/weibliche Dynamik nicht nur als zwei Geschlechter innerhalb einer Art. Nach der Kabbala sind diese zwei Arten der Energie, die man in ihrer abstraktesten Form als innere Energie und projektive Energie kennt. Männliche und weibliche Energien existieren in jedem Mann und in jeder Frau sowie in jedem Teil der Natur.

Sogar G-ttlichkeit, wird manchmal als feminin und manchmal als maskulin bezeichnet. Ganz hingegen der weitverbreiteten Annahme, dass der G-tt der Bibel „patriarchalisch“ ist, sind viele der g-ttlichen Attributen weiblich, wie z.B. die „Schechina“, die weibliche Dimension G-ttes.

Was wir hier haben, ist eine Teilung zweier Energien, und ein Verlangen sich wieder zu einem großen ganzen zu vereinigen. Die Menschen wurden im g-ttlichen Abbild erschaffen, und die Menschen sind zur hälfte männlich und weiblich, und durch ihre Vereinigung werden sie zum großen Ganzen, dem g-ttlichen Abbild, das sich mit G-tt verbindet und nach einer höheren Realität strebt.

Das ist die Seele der sexuellen Anziehung. Diese Anziehung ist es, die sich in vielen physischen Empfindungen ausdrückt. Von einem schnelleren Herzschlag bis hin zur körperlichen Anziehung, sie ist essentiell die Anziehung des männlichen zum weiblichen und umgekehrt, um ein g-ttliches ganzes zu werden, verbunden mit ihrer Quelle in G-tt. Nicht dass sie je komplett voneinander getrennt waren, aber Menschen gehen oft auf einen sehr egoistischen Weg. Und dann ist da eine Stimme in dir die sagt, „Ich sehne mich nach etwas größeren“. Wenn ein Mann sich physisch zu einer Frau hingezogen fühlt, oder eine Frau zu einem Mann, sieht es wie eine biologische Sache aus, aber von der Perspektive der Tora ist es nur eine physische Manifestation von einer sehr tiefen spirituellen Anziehung.

Das soll natürlich nicht bedeuten, dass das Torakonzept an sich nicht mit dem Ziel des Erschaffens eines neuen Lebens verbunden ist. Sicherlich ist es so. Aber die Aufrechterhaltung des Arten ist nicht ein Ende in sich selbst. Es ist eher umgekehrt: Die g“ttliche Natur unserer Sexualität – die Tatsache, dass die Verbindung vom weiblichen und männlichen Wesen das g-ttliche Abbild vervollständigt, in dem sie erschaffen wurden – ist es was uns die Kraft gibt, Leben in die Welt zu bringen.

So gibt es etwas g-ttliches in der Verbindung selbst. Dieses zeigt sich auch in der Halacha (dem jüdischem Gesetz), welche die Heiligkeit der Sexualität auch Situationen zuschriebt, in denen keine Nachkommen gezeugt werden können (z.B. das Paar ist schon zu alt, oder kann aus medizinischen Gründen keine Kinder bekommen). Wenn die Sexualität sich nur ums Kinderbekommen drehen würde, könnte man argumentieren: „Hey, keine Aufrechterhaltung der Art, warum also Heiraten? Nur egoistischen Spaß? Wo ist die Heiligkeit?“ Die Antwort ist: JA! Sexualität als solche ist heilig. Wenn sich das männliche und das weibliche Wesen vereinigen, ist dieses ein g“ttlicher Akt, ja eine g-ttliche Erfahrung.