Als ich ein junger Bursche war, war politischer Aktivismus «cool». Mit vierzehn Jahren war ich mitten drin.
Aber gleich, wie viel man tat, blieb doch das klassische Dilemma: «Mensch, ich bin doch nur einer unter sechs Milliarden! Und der nächste Kerl neben mir genauso. Es ist einfach nicht plausibel, daß wir tatsächlich etwas bewirken können.»
Es spielte keine Rolle, daß man mit eigenen Augen sehen konnte, wieviel geleistet wurde, daß man ein Beispiel aus der Geschichte nach dem anderen anführen konnte, das bewies, daß ein einziger Mensch eine ganze Welt verändern kann - es bleibt einfach ein erkenntnistheoretisches Paradoxon. Das menschliche Gemüt kann das so lange nicht akzeptieren, bis es ihm erklärt wird.
Der Rebbe gab mir eine Erklärung. Mein Problem bestand darin, daß ich nur die physische, wahrnehmbare Welt betrachtete, aber nicht, was dahinter steckte. Das ist vergleichbar damit, eine Maschine zu sehen, aber nicht das Schaltpult dahinter. Sicherlich geschieht die Tat in der konkreten, irdischen Welt - aber wo ein Herz hinter der Tat steckt, dort gibt es eine Wirkung auch in den metaphysischen Tiefen des Universums. Wie das Drücken eines kleinen Knopfes eine weltumspannende Wirkung haben kann, so kann auch eine kleine Tat «weltumwerfende» Resultate erzeugen.
Unterschätze nie die Macht einer einfachen, reinen Tat, die aus dem Herzen kommt.
Die Welt wird nicht durch jene Menschen verändert, die Berge versetzen, noch von jenen, die Revolutionen anführen, noch von jenen, deren Geldbörsen die Welt beherrschen.
Diktatoren werden abgesetzt, Unterdrückung wird aufgelöst, ganze Nationen werden durch einige wenige kostbare Handlungen der Schönheit transformiert, ausgeführt von einer Handvoll unbekannter Soldaten.
Es war Maimonides, der in seinem Rechtskodex schrieb: «Jeder Mensch muß so handeln, als ob die gesamte Welt genau im Gleichgewicht wäre und jede Tat, die er ausführt, die Waagschalen nach unten sinken oder nach oben steigen lassen könnte.»
Rabbi Jehuda, der Fürst, sagte: «Erkenne, was über dir ist.»
Der Maggid von Mesritsch erklärte: «Erkenne, daß alles, was sich von oben herab ereignet, aus dir kommt.»
Alles, was entstand - alle geschaffenen Welten und alle ätherischen Wesen, die in ihnen leben, sogar die Welten, die bloße Emanationen ohne greifbare Substanz sind, sogar die Welten der Gedanken und die Welten jenseits davon bis hin zu den Reichen des unendlichen Lichts, das der Schöpfung vorausging - all dies entstand nur als Ergebnis des Denkens an dich: das irdische Wesen, das in einer Welt kämpft, die nur von einem winzigen Glanz der G-ttlichkeit in seiner ursprünglichen Reinheit erreicht wird, und das Licht bringt, wo zuvor kein Licht sein konnte.
Durch einen einfachen Akt der Schönheit können all diese Welten, Engel und Lichtreiche erlöst und erhoben werden und mit der Kraft eines Vulkanausbruchs das Licht in unsere niedere Welt senden.
So kann schon eine einzige, einfache, aufrichtige Tat die Schöpfung erlösen. Unterschätzen wir niemals die Macht des Lichts.
Als G-tt den ersten Menschen schuf, protestierte die Wahrheit dagegen; so berichten uns unsere Weisen. «Schaffe keinen Menschen, denn er wird voller Hinterlist sein!» Die Güte wandte jedoch ein: «Schaffe den Menschen, denn er wird gütige Taten vollbringen.»
G-tt wischte die Wahrheit zugunsten der Güte beiseite und schuf den Menschen. Selbst jetzt lebt der Mensch nur aufgrund der Verdienste seiner guten Taten fort - auch wenn sie etwas an Wahrhaftigkeit ermangeln.
Wenn du die letzten Stufen des Aufstiegs betrittst, hältst du dich an jedem Zweig oder an jeder schwachen Wurzel fest, die du finden kannst, um dich daran nach oben zu ziehen.
Genau da stehen wir heute. Aus jedem Funken von Licht, der deines Weges kommt, presse heraus, was nur geht.
Sobald wir beginnen, unsere guten Werke zu messen, und festzustellen versuchen, was bedeutender, größer ist als etwas anderes, befinden wir uns schon auf schlüpfrigem, gefährlichem Boden. Unsere Aufgabe besteht darin, das zu tun, was unser Weg von uns verlangt.
Manche Menschen denken, daß sie - wenn sie gestern, vergangene Woche oder gar vor einigen Jahren etwas Gutes getan haben - ihren Teil geleistet hätten und G-tt sie dafür bis an ihr Lebensende belohnen sollte. Das ist so, als ob man Geld verleiht: Wir haben jemandem im letzten Jahr Geld geliehen und ziehen heute noch Profit daraus. Das Problem dabei ist: Die Thora verbietet, Zinsen zu erheben - auch von G-tt. Wenn du gestern etwas Gutes getan hast, tu heute das Doppelte.
Gib keine mildtätigen Gaben. Wohltätigkeit bedeutet, nett zu sein und dein Geld wegzugeben. Wer sagt dir aber, daß es überhaupt dein Geld ist? Es ist Geld, das in deine Obhut gegeben wurde, um es für gute Dinge und für Menschen, die es benötigen, auszugeben.
Ändere deine Einstellung und tue statt dessen, was richtig ist. Tue, was recht ist und gib das Geld dorthin, wo es hingehört. Das nennen wir Tzedaka.
Bete nicht. Beten heißt, daß ein Wesen ein anderes höhergestelltes Wesen um etwas bittet. Verbinde dich statt dessen. Werde eins mit deinem Schöpfer, damit die G-ttliche Kraft durch dich in unsere Welt fließen möge, um die Kranken zu heilen und es regnen zu lassen. Das nennen wir Tefilla.
Bereue nicht. Reue heißt, aufzuhören, schlecht zu sein und gut zu werden. Kehre statt dessen um. Kehre heim zum eigentliehen Selbst und zu dem, was dir wirklich gehört. Das nennen wir T'schuva.
Unsere Sicht der Welt und die Sicht ihres Schöpfers sind ganz verschieden.
Aus unserer Sicht gibt es immer einen Gebenden und einen Nehmenden. Ob die Ware nun Wissen, Zuneigung oder Geld sein mag - immer scheint einer besser als der andere dran zu sein.
Aber warum gibt es Menschen, die haben und andere, die nicht haben? Auf daß Güte und Geben in dieser Welt sei.
Was bedeutet, daß aus der Sicht des Schöpfers der Gebende und der Nehmende eins sind. Der Nehmende gibt in Wahrheit und der Gebende empfängt eigentlich, denn ohne diesen ganzen Vorgang würde der Gebende auf ewig in seinem Ich eingeschlossen bleiben. Es gibt kein Höheres und Niedrigeres.
Es gibt Mitgefühl, welches das Ego aufbläst, und es gibt Mitgefühl, welches das Ego demütig macht. Mitgefühl, welches das Ego füttert, ist das Gefühl des Mitleids für jene, die unter uns stehen.
Mitgefühl, das demütig macht, wird aus der tieferen Einsicht in die Ordnung der Dinge geboren: Wenn wir verstehen, daß unser Nächster leidet, damit wir das Privileg erhalten, ihm helfen zu dürfen - dann werden wir tatsächlich gedemütigt.
Es kommt vor, daß du etwas mit den besten Absichten beginnst und dennoch am Ende etwas geschieht, was als das genaue Gegenteil davon erscheint. Du kannst dir absolut sicher sein - denn das ist uns von unseren Weisen überliefert worden -, daß, wenn deine wahre Absicht gut ist, nur Gutes herauskommen kann. Vielleicht nicht das Gute, das du beabsichtigt hattest oder das dir am Herzen lag - aber trotzdem etwas Gutes.
Die häufigste Antwort des Rebbe auf die Frage von jemandem, der ein gutes Werk getan hatte:
Es ist charakteristisch für das Wesen des Menschen, daß er nie auch nur die Hälfte seines Ziels erreicht. Wenn er 200 erzielt, muß er 200 erreichen. Und wenn er 200 erreicht, fordert er sich selbst dazu auf, 400 zu erzielen. So mußt auch du in deinen Werken der Güte immer mehr wachsen.
Als der Bürgermeister von Haifa zum Rebbe kam, um dessen Segen zu erhalten, segnete der Rebbe ihn mit den Kräften des Unbegrenzten und Unendlichen. Woraufhin der Bürgermeister antwortete, daß er mit allem zufrieden sei, was er bekommen könne. Der Rebbe antwortete verzweifelt: «Und was werden die Einwohner von Haifa davon haben, daß du mit allem zufrieden bist, was du bekommen kannst?»
Wenn wir geben, wirkt sich dies nicht nur auf die Menschen, denen wir geben, aus, sondern auch auf uns als Gebende. Deshalb ist nicht nur von Bedeutung, wieviel wir geben, sondern auch wie oft. Jede Tat des Gebens erhebt und reinigt uns ein kleines bißchen mehr.
Hänge an einem gut sichtbaren Platz an der Wand eine kleine Tzedaka-Büchse auf und werfe jeden Tag einige Münzen hinein. Du solltest eine solche Büchse sowohl zuhause als auch an deinem Arbeitsplatz haben.
Wenn du etwas für einen guten Zweck gibst, dann ist das eigentlich nur ein Darlehen und G-tt selbst ist der Schuldner. Außerdem: Je mehr du gibst, desto mehr erhältst du. Das ist nicht im übertragenen Sinn gemeint, sondern wörtlich. Probiere es aus und überzeuge dich selbst davon.
Die vielleicht häufigsten Worte des Rebbe waren:
Die Hauptsache ist: Tu etwas!
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