Wir alle sind Gefangene, da wir erschaffen wurden. Die Endlichkeit ist unsere Zelle. Das Universum ist unser Gefängnis. Das Sein selbst, das Leben, ist unser Unterdrücker. Das Ich ist der Wärter. Wir alle sind Gefangene. Aber wir haben die Schlüssel zur Freiheit in der Hand.
Wir sind gefangen, weil wir unseren G-tt ins Exil geschickt haben. Solange wir glauben, G-tt nur finden zu können, indem wir die Welt, die Er geschaffen hat, verlassen, werden wir Ihn nie wirklich finden.
Solange wir glauben, daß es einen Ort gäbe, an den wir fliehen könnten, gibt es keine echte Befreiung.
Die wirkliche Befreiung erlangen wir, indem wir unsere Augen öffnen, um festzustellen, daß alles in diesem Augenblick hier ist.
Die Welt ist für sich genommen ein Ort des Exils und der Gefangenschaft. Selbst wenn ein Mensch aufrecht auf dem höchsten Berg steht, wenn er alles sieht und alles versteht, wenn er eine Erkenntnis der höchsten Einheit und des «Nichts» erlangt, wenn er weiß, was hinter allem ist ... wenn er dann am Ende trotzdem an dem Boden haftet, zu dem seine Füße ihn getragen haben, wenn er nicht über seine eigenen Augäpfel hinausgeschaut hat, wenn er nur das verstanden hat, was in seiner Reichweite lag - dann ist er in seinem eigenen Ich geblieben.
Er steht zwischen einem G-tt, der «oben» ist, und einer Erde, die «unten» ist, und hält eine Verbindung zwischen beiden für unmöglich. Die einzig wahre Befreiung können er und die ganze Welt jedoch nur erlangen, wenn der Eine «oben» seine Hände nach «unten» reicht und uns sagt: «Tut dies. Durch diese Tat seid ihr unauflöslich mit mir verbunden.» Dann gibt es kein Oben und Unten mehr. Dann gibt es nur Eines.
Der Mensch kann sich nicht selbst überwinden. Er kann nicht aus seiner Haut heraus, er kann sich nicht am eigenen Haarschopf emporziehen. Alle seine Leistungen sind untrennbar mit seinem Ich verbunden. Alles, was er begreifen kann, wird durch seine subjektive Wahrnehmung bestimmt. Er ist aufgrund seiner bloßen Existenz ein Gefangener.
Also warf G-tt dem Menschen ein Rettungsseil zu. Er gab ihm Aufgaben zu lösen, die ihn jenseits seines Begreifens führen, Gedanken, deren Ergründung ihn über die Hohlheit seines subjektiven Universums führen würden.
Dazu bedarf es nur des Willens, sein Ich loszulassen.
Wir alle sind Gefangene. Aber wir haben die Schlüssel in der Hand.
Es ist innen. Alles ist innen. Aber das Ich steht als Wache vor dem Tor.
Der uranfängliche Fehler war, das Ich zu entdecken.
Der erste Mann und die erste Frau im Garten Eden aßen vom Baum des Wissens und entdeckten, daß sie existieren. Seit dieser Zeit ist Ich-Bewußtsein die Wurzel allen Übels.
Jedes «Ich» und «Mir», jedes Ich-Denken, leugnen die Einheit des Schöpfers und der Schöpfung. Es ist ein Irrtum zu glauben, daß es etwas anderes gäbe, nämlich mich, und daß ich unabhängig von allem anderen existieren würde. Das Ziel der Menschheit ist, über den Zustand von Adam und Eva im Garten hinaus zu gelangen, zu einem Zustand, in dem jedes Ich-Bewußtsein bedeutungslos ist, weil du in den Apfel gebissen hast, ihn geschmeckt hast und dich die Erfahrung des Ichs doch nicht weiter bringt.
Ein Funke der Seele steigt herab, um sich in dein Fleisch und Blut einzuhüllen. Der Kern der Seele bleibt oben. Irgendwie müssen die beiden jedoch in Verbindung bleiben.
Die Thora verbindet. Wenn du dich mit deinem ganzen Wesen einsetzt, um in die Tiefen eines Wortes der Thora einzudringen, wenn Du darüber meditierst, bis es deine Knochen durchdringt, dann ist ein Kreislauf geschlossen worden, der oben und unten als Eines verbindet.
Die Thora zu studieren und ihren Anweisungen zu folgen, trägt den Menschen über seine Grenzen hinaus, hinein in das grenzenlose Reich des Schöpfers.
Wenn du Seinen Willen tust, weil dir das, was Er dir aufträgt, einleuchtet - was hat das dann mit Ihm zu tun? Du tust dann deinen Willen. Du bist wieder im Gefängnis.
Der Mensch ist die Nadel G-ttes, um die vielen Flicken der Schöpfung zu einem einzigen Kleid seiner Herrlichkeit zu vernähen. Die Nadel muß hart und an einem Ende spitz sein, um sich durch die Qualen hier hindurchzuquetschen. Aber das andere Ende muß ein Loch haben, ein Nichts, worin der Faden gehalten wird.
Du hast zwei Gesichter. In der Welt bist du fest und stark. Doch sei dir bewußt, daß du im Inneren vor dem Angesicht des Unendlichen nichts bist.
Ein Mensch muß voller Feuer sein - das Feuer eines Altars, der das Ich verzehrt und das Tier in ihm dem G-ttlichen nahe bringt.
Wenn ein großes Ich brennt, macht das eine Menge Lärm. Ein kleines Ich brennt leise. Brenne im Inneren, leise.
Mach dich klein, und du wirst größer. Wisse, daß du nichts bist, und du wirst unendlich. Mach zumindest keinen so großen Wind um dich selbst. Umso naher wirst du der Wahrheit sein.
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