Einmal verspürte Rabbi Hillel von Parisch ein überwältigendes Verlangen, den Schabbat mit seinem Rebbe, Rabbi Menachem Mendel von Lubawitsch, zu verbringen. Aber es war nicht einfach, diesen Wunsch zu erfüllen, denn es war bereits spät in der Woche, und Babroisk (wo Rabbi Hillel damals lebte) war weit von Lubawitsch entfernt. Es bestand anscheinend keine Möglichkeit, den Rebbe noch rechtzeitig zu erreichen.

Doch dann bot ein junger Chassid an, die Reise zu wagen. Seine schicke neue Kutsche und vorzügliche Pferde seien dazu imstande, versicherte er. Weil die Zeit aber so knapp war, musste Rabbi Hillel zwei Bedingungen zustimmen: Sie würden die Straße benutzen (ansonsten weigerte Rabbi Hillel sich, die gepflasterte Straße zu benutzen, die der böse Zar Nikolaus hatte bauen lassen) und Rabbi Hillel durfte nicht zu viel Zeit mit Gebeten verlieren. Unter den gegebenen Umständen willigte der Rabbi ein.

In dieser Nacht schliefen sie in einer Herberge an der Straße. Am Morgen betete der junge Mann, frühstückte und schaute dann nach Rabbi Hillel. Der betete noch. Nach einer Weile ging er wieder zu ihm – das gleiche Bild. Stunden vergingen, und immer noch schüttete der ältere Chassid dem Schöpfer sein Herz aus.

Als Rabbi Hillel endlich fertig war, ärgerte sich sein Begleiter: „Ich verstehe das nicht. Ihr wollt doch den Schabbat mit dem Rebbe feiern, und Ihr habt versprochen, Euch beim Beten zu beeilen. Jetzt haben wir keine Chance mehr, rechtzeitig nach Lubawitsch zu kommen!“

Rabbi Hillel antwortete: „Angenommen, du willst zum Markt nach Leipzig reisen, um seltene Waren zu kaufen, die es nirgendwo sonst gibt. Unterwegs triffst du einen Händler, der dir eben diese Ware zu einem günstigen Preis anbietet. Nur ein Narr würde dann sagen: Nein, ich muss nach Leipzig fahren! Der Zweck der Reise ist ja nicht diese oder jene Stadt, sondern die begehrte Ware.

Warum suchen wir den Rebbe auf? Doch nur, um seinen Rat einzuholen, was den G–ttesdienst im Herzen angeht. Wir wollen doch lernen, im Gebet unsere Ehrfurcht und Liebe für G–tt zu wecken. Wenn also mein Gebet auf dem Weg nach Lubawitsch erfolgreich ist – warum sollte ich dann die Ware hinwerfen und nach Leipzig eilen?“