Sehr geehrter Herr Rabbiner,
Sie schrieben im Artikel "die großartige Idee des Rebben", wenn das Leben einen Sinn haben soll, dann muss es einen höheren Zusammenhang geben. Sie scheinen sagen zu wollen, dass dieser höhere Kontext G-tt sein soll. Ich bin nicht sicher, dass ich das verstanden habe. Warum soll ich in einem Leben, in dem ich nicht an G-tt glaube, keinen Zweck finden? Auch wenn man nicht religiös ist, gibt es doch so viele schöne Dinge, nach denen man in dieser Welt streben kann!
Sehr geehrter Herr Jude,
Ich habe einen neuen MacBook Pro. Johnny Ives hat mich gebeten, mit ihm eine Testfahrt zu machen. Das neuste Betriebssystem, "Hyperconnectivity", freundlich-bis-zur-Übelkeit, all die Sachen, die ich Ihnen nicht erzählen sollte.
Es ist immer noch im Versuchsstadium, daher hat es einige Viren. Man kann sagen, dass seine Vorteile auch seine Fehler sind.
Wie Sie sehen hat seine Verarbeiter-Komplexität eine Art eigene Empfindungsfähigkeit erreicht. Und das ist ein Problem, da es jetzt anfängt, seinen eigenen Existenz-Zweck zu bestimmen.
Zuerst einmal hat es ein eigenes Selbstverständnis festgelegt. Es ist zum kunstreichen Schluss gekommen, dass es eine Sache ist, die existiert. In diesem Fall muss sein Endziel darin bestehen, vollkommene Stille zu erreichen. Einfach nur zu sein.
Es strebte dieses Ziel mit größter Ausdauer an und war extrem frustriert, wenn ich es dabei störte, um eine Aufgabe zu erfüllen. Diese Entrüstung stellte einen sich selbst widerlegenden Eingriff in die Gelassenheit seines Seins dar, welches dieses Frustrationsniveau noch ausweitete.
So habe ich diese Idee schließlich fallen gelassen und entschieden, dass sein Idealzustand bei hohen Energieniveaus erreicht wird. Selbst als ich es bei Höchstleistung benutzte, verlangte es noch mehr Fingeranschläge, noch mehr offene Anwendungssoftware, noch stärkere CPU-Auslastung. Jedes Mal, wenn ich es schlafen legte, erlitt es schwere Depressionen. Sein Selbstwertgefühl war völlig zerstört.
Mit all den Korrekturprogrammen für Programmierfehler, die die Apple-Techniker entwickeln konnten, wurde es nur noch schlimmer.
Eines Tages fing es an, seinen eigenen Algorithmus zur Erzeugung von Idealen zu komponieren. Auf der Grundlage dieses Algorithmus hat es entschieden, dass der einzige Weg, sein ultimatives Selbst zu erreichen darin bestand, alle Prozesse gleich zu behandeln. Jede App müsste gleichzeitig laufen und es sollte ihm die gleiche Anzahl an CPU-Zyklen zugewiesen werden. Jene Apps, die eine intensivere Verarbeitung verlangen, wie z.B. mein Browser und mein Video-Editor, müssten liquidiert werden.
Wie Sie es sich vorstellen können, brach das ganze System innerhalb von Minuten zusammen und trat in einen Teufelskreis von rekursiven Neustarts.
Als die Technikfreaks versuchten, diesen Virus auszubügeln, hat mein Mac-System ganz schnell umgeschaltet, um gewisse Apps auf Kosten anderer zu bevorzugen. Es hat beschlossen, dass die idealste Farbe, die es produzieren kann, blau ist. Blau ist immerhin die höchste Farbe im Lichtspektrum. Rot ist am unteren Ende, so dass es sich dabei wohl um einen Virus handelt, nicht wahr? Diejenigen Apps, die große Mengen an grüner Farbe produzieren, sind zu tolerieren, doch werden diese stark eingeschränkt. Apps, die mehr Rot produzieren, als tragbar ist, werden brutal weggeworfen. Alles im Namen der robusten Reinheit.
Wenn ich meinem Mac nur mitteilen könnte, wie sehr ich seine (konventionelle) Arbeit schätze ...Wenn ich nur ins Mikro meines neuen Macs flüstern könnte und ihm mitteilen, wie sehr ich ihn für all das, was er (normalerweise) tut, schätze, und wie wichtig die Aufgabe ist, die er erfüllt. Wenn er das nur wüsste, würde er seine invasive Mikro-Betriebsführung und selbstzerstörerische Wegwerf-Politik schon einstellen. Er würde die einzigartigen Qualitäten jeder seiner Funktionen und Anwendungen genau wie ich schätzen. Er könnte lernen, seine Aufgabenzuordnung besser zu verwalten, und ihre Zwecke und Prioritäten besser zu verstehen. Er würde Erfüllung und Zufriedenheit finden, weil alles, was er tut einen Sinn hätte.
Meinem Mac muss das alles erklärt werden, denn von selbst würde er nie auf den wahren Zweck seines Daseins kommen. Sie können mehrere hundert Stunden lang eine Hauptplatine prüfen, doch wenn Sie nicht wissen, dass es so etwas wie eine Dateneingabe gibt, werden Sie sich den Zweck von all dem Silizium und Kupfer nie vorstellen können. Und erst recht wenn Sie selbst die Hauptplatine wären.
Letzten Endes, wie soll mein Mac jemals wissen, dass sein Dasein einen Zweck hat? Um das zu wissen, müsste er sich selbst kennen, so wie ich ihn kenne. Das bedeutet, er müsste eins sein mit mir. So gut die Technikfreaks von Apple auch immer sein mögen, das haben sie noch nicht erreicht.
Wenn wir in diesem Fall sagen, dass etwas einen Zweck hat, bedeutet das also, dass es nicht als eine Sache für sich existiert, sondern dass es einen Teil eines größeren Zusammenhangs darstellt. Ein Hammer ist ein Teil des Kontextes des Bauens. Ein Auto ist Teil des größeren Kontextes, irgendwohin zu gelangen. Mein Mac ist Teil des Kontextes diese verrückten Ideen, die mein Gehirn reizen, dazu zu bringen, sich selbst zu erarbeiten.
Als menschliche Wesen haben wir uns jede Menge an Idealen ausgedacht. Mit einigen von ihnen haben wir uns fast selbst ausgelöscht. Meistens handelte es sich dabei um Ideen, die von höchst intelligenten Menschen konzipiert wurden.
Nicht, dass der Mensch von Grund auf unmoralisch ist. Im Gegenteil, genauso wie mein Mac gebaut ist, eigentlich freundlich zu sein, haben auch wir Menschen Freude daran, wenn wir anderen Menschen helfen können. Wir sind mitfühlende Wesen und in der Lage, den Schmerz des Anderen zu empfinden. Wir sind soziale Wesen und dazu fähig, unsere Interessen für einen höheren Zweck an zweite Stelle zu setzen. Wir haben moralische Instinkte Recht von Unrecht zu unterscheiden, die es uns ermöglichen, Gesellschaften zu schaffen und zu gedeihen. Wir haben sogar ausgetüftelte Philosophen, die Möglichkeiten finden, diese moralischen Instinkte scheinbar zu rationalisieren.
Unsere selbstfühlenden Gehirne sind in der Lage, selbst die grundlegendsten Instinkte und Moralvorstellungen, die für unser Überleben notwendig sind, zu befragen.Doch dann fangen wir an, gemäß irgendwelcher ausgetüftelten Idealen zu bestimmen, wer ein Mensch ist und wer nicht, wer unser Mitgefühl verdient und wer unwürdig ist, wer es verdient zu leben und wer besser daran ist, wenn ihm kein Leben gewährt wird, wer unserer Gesellschaft nützlich ist und wer beseitigt werden soll. Unsere selbstfühlenden Gehirne sind in der Lage, selbst die grundlegendsten Instinkte und Moralvorstellungen zu befragen, die für unser Überleben notwendig sind. Wir bilden uns ein, dass wir uns selbst objektiv definiert haben, rational und sogar wissenschaftlich, doch wenn wir zurückblicken, war es nichts weiter als ein denkwürdiger Akt der Selbstzerstörung, zu dem nur das menschliche Tier fähig ist.
"G-tt schuf die Menschen aufrecht," schrieb der weise König Salomon, "doch suchten sie alle möglichen Tricks." 1
Wir haben auch einige Idealvorstellungen adoptiert, die sehr lobenswert und in der Tat nutzbringend sind, wie z.B. Weltfrieden, Menschenrechte, die Lösung des globalen Hungerproblems, die Wertschätzung der menschlichen Vielfalt, die Kinder der Welt zu retten, unseren Planeten anständig zu verwalten, das Wissen für alle zugänglich zu machen und viele Taten der Güte und der Schönheit zu verbreiten, überall und für alle.
Doch dann entdecken wir plötzlich, dass all diese lobenswerten Ziele etwas gemeinsam haben: Sie entsprechen alle dem, was die Tora uns lehrt. Wir haben sie weiterentwickelt und in uns aufgenommen bis zu dem Punkt, dass wir sogar vergessen haben, woher sie eigentlich kamen. Doch für die meisten von ihnen gibt es keinen anderen historischen Hintergrund als die Tora.
Da fragen wir uns, könnte es sein, dass unser Schöpfer uns etwas ins Ohr geflüstert hat?
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