Frage?
Glauben Juden, ein Mensch könne seine Seele dem „Teufel“ verkaufen?
Antwort!
Die Idee, "seine Seele dem Teufel zu verkaufen", d.h. sich für gewisse Gefälligkeiten der "anderen Seite" zu versklaven, kennt die Tora nicht. Die ethischen Werke des Judentums beschreiben zwar Fälle, in denen ein Mensch auf gewisse Weise von schlechten Geistern besessen war, doch selbst dieser Zustand ist jederzeit aufhebbar.
Zuvor wäre es angebracht, uns darüber zu verständigen, was das Wort "Satan" gemäß Judentum überhaupt bedeutet:
Das Wort "Satan" ist mit dem hebräischen Wort "lesatan" verwandt. Es bedeutet "aufhetzen", "vom Weg abbringen" und wird im Tenach mehrmals verwendet. Erstes Beispiel ist die Geschichte von Bil'am, in der sich Bil'am entscheidet, den Auftrag, die Juden zu verfluchen, anzunehmen:
G-ttes Zorn loderte, weil er sich auf den Weg machte und ein Engel des Ewigen stellte sich ihm in den Weg, um ihn [von seinem Vorhaben] abzubringen (Übersetzung von "lesatan lo") und er ritt auf seinem Eselweibchen, und zwei Diener waren mit ihm.1
An anderen Stellen erscheint das Wort in seiner substantivierten Form als "Provokateur". Dieser Titel erscheint zusammen mit dem bestimmten Artikel – "der Satan". Es handelt sich also nicht um einen Eigennamen, sondern um eine Auftragsbeschreibung. Im Buch Hiob z.B. übernimmt „der Satan“ die Rolle des "Staatsanwaltes" vor G-tt:
"Es kam der Tag und G-ttes Engel kamen, um neben dem Ewigen zu stehen, und mit ihnen kam auch der Satan..."
Und der Ewige sprach zum Satan: "Hast du meinen Diener Hiob bemerkt? Denn es gibt niemanden auf der Welt, der ihm gleicht, ein aufrichtiger und gerechter Mann, - G-ttesfürchtig das Schlechte meidend."
Und der Satan antwortete dem Ewigen: "Ist Hiob umsonst G-ttesfürchtig? Hast Du denn nicht um ihn und sein Haus und um alles, was ihm gehört herum eine Absicherung gebaut? Du hast das Werk seiner Hände gesegnet und sein Viehbestand hat sich über das Land ausgebreitet. Doch strecke einmal Deine Hand aus und greife alles an, was er hat, Du wirst schon sehen, wie er über Dich lästern wird."
Und der Ewige sprach zum Satan: "Siehe, alles, was ihm gehört ist in deiner Hand, nur ihm darfst du nichts antun." Und der Satan verzog sich vor der Anwesenheit des Ewigen."2
Aus diesen Versen lernen wir, dass G-tt einen Engel erschuf, der die Rolle des Provokateurs spielt und in Wirklichkeit G-ttes unterworfener Bote ist. Er ist kein gefallener zur Hölle verdammter Engel, weil er sich G-tt widersetzte, sondern er wurde vorsätzlich, um Satan zu sein, erschaffen. Er trägt auch keine "Heugabel in der Hölle", sondern er hat auf der Erde die Aufgabe, die Menschen zum Missachten von G-ttes Geboten zu verführen.
Daher ist die dualistische Auffassung einer Anti-G-tt-Figur, die gegen G-tt um das Geschick der Menschheit kämpft, mit der jüdischen Weltanschauung unvereinbar. Es gibt keine von G-tt unabhängige "Macht des Bösen". Denn das wäre ein Widerspruch zu G-ttes allumfassender Kontrolle und Macht. Im Buch Jesaja steht:
"... von dort wo die Sonne aufgeht, bis da wo sie niedersinkt, gibt es nichts außer mir. Ich bin G-tt, es gibt nichts anderes. Ich bin Derjenige, der das Licht formt und die Dunkelheit erschafft, der Frieden stiftet und das Schlechte erschafft, Ich, G-tt mache sie alle [erhalte sie alle aufrecht]."3
Satan ist somit keine unabhängige Macht, die sich G-tt entgegensetzt und Mitglieder für ihre Partei anwirbt, sondern der Satan ist eine spirituelle Einheit, die ihrem Schöpfer treu ergeben ist. So wird die biblische Geschichte bezüglich Satans aggressiven Versuchen, Hiob zur Blasphemie zu verleiten, von Rabbi Levi im Talmud kommentiert:
Der Satan hat in G-ttes Namen gehandelt. Als er sah, wie sehr G-tt Hiob Seine Aufmerksamkeit schenkte, sagte er: "G-tt behüte, dass der Ewige Seine Liebe zu unserem Vorvater Abraham vergessen soll!"4
Der Sohar vergleicht Satan mit einer allzu liberalen Frau, die von einem König angestellt wird, seinen Sohn zu verführen. Beide, der König und diese dem König treu ergebene Frau, wünschen und hoffen in Wirklichkeit, dass der Sohn das verführerische Angebot zurückweist. Genauso ist auch der Satan nichts weiter als einer von G-ttes zahlreichen spirituellen Boten, die gesandt werden, um Sein Ziel der Schöpfung des Menschen in die Wirklichkeit umzusetzen.5
Doch ist dies nur ein Teil seiner Tätigkeit. Der Talmud sagt, dass der Satan, die schlechte Neigung (Jezer Hara) und der Todesengel eigentlich ein und dieselbe Persönlichkeit sind.6 Er steigt vom Himmel hinunter und bringt die Menschen vom rechten Weg ab. Danach steigt er hinauf, legt diese Anschuldigungen gegen die Menschheit dem Ewigen vor, steigt wieder hinunter und setzt den Urteilsspruch in die Tat um.
Jedoch kommt der Sohar zu folgendem Schluss: Gibt ein Mensch dem Drängen der schlechten Neigung nach, versorgt er "die andere Seite" mit Energie. Das bedeutet, dass derjenige, der sich G-ttes Willen widersetzt, jenen Mächten, die Ihn auf Seinen Wunsch verstecken, zusätzliche Kraft verleiht, Seine Gegenwart vor uns zu verbergen. Dadurch entstehen noch größere Hindernisse, die es uns wiederum erschweren, G-ttes Wahrheit und Seine Tora zu erleben und uns mit ihr zu identifizieren.
Extrem ist es bei Pharao, der die Kinder Israels in Ägypten versklavte. Obwohl der Ewige von Moses verlangte, Pharao Anweisungen zu geben, die Israeliten zu befreien, fügte Er hinzu: "Ich habe sein Herz und das Herz seiner Diener härter werden lassen,"7 um am Ende die Ägypter mit zehn Plagen zu bestrafen. Als Folge für seine vorangehende Unterdrückung und Misshandlung des jüdischen Volkes wurde seine Fähigkeit, seine schlechten Angewohnheiten zu verlassen, noch weiter eingeschränkt, bis er seine freie Wahl fast völlig verlor und seine Fähigkeit, seine Untaten zu bereuen und auf die richtige Bahn zurückzukommen, ziemlich schwach wurde.8
Doch es gibt nichts, das den nach Tschuwa (Rückkehr zu G-tt und dem Einhalten Seiner Gebote) Strebenden, aufhalten kann.9 Selbst wenn ein Mensch "vom Teufel besessen zu sein" scheint, – als Folge G-ttlicher Vergeltung für vorangegangene Missetaten und nicht als Verhandlungsergebnis mit dem Satan – ist er noch nicht "verkauft" sondern kann seine Impulse, Schlechtes zu tun, jederzeit überwinden. Dass ein Mensch sich völlig ohne Aussicht, durch die richtige Wahl auf den rechten Weg zurückzukommen, verkaufen kann, würde G-ttes Absicht gänzlich widersprechen und ist daher undenkbar.
Wie tief auch immer wir fallen mögen: Wir sind den unreinen Kräften niemals ausgeliefert. Sie sind gehorsame Untertanen G-ttes, mit dem Ziel, von uns überwunden zu werden. Unsere Seele hat jederzeit die Wahl, sich freizukämpfen und sich erneut zu verpflichten, nunmehr G-ttes Gebote zu beachten. Wer ernsthaft den innigen Wunsch hegt, zu G-tt zurückzukehren, kann jede Mauer durchbrechen, ob sie schon immer dastand oder erst durch unsere Taten erschaffen wurde, - und kann den Weg zum wahren Selbst finden.
Diskutieren Sie mit