Als Rabbi Jehuda Leib Segal aus Witebsk den Gründer des Chabad-Chassidismus, Rabbi Schneur Zalman von Liadi, als Schwiegersohn akzeptierte, war dieser bereits ein „Wunderknabe“. Als Schwiegervater eines so vielversprechenden jungen Mannes erhoffte sich Rabbi Jehuda Leib Ruhm und Ehre vom neuen Familienmitglied. Vor der Heirat versprach er dem jungen Paar, es viele Jahre lang zu unterstützen, damit Rabbi Schneur Zalman ohne Ablenkung weiter studieren konnte.
Eine Weile verlief alles nach Plan. Rabbi Schneur Zalman studierte Tag und Nacht die Tora, und alle waren mit der Vereinbarung zufrieden. Die Leute staunten über den berühmten Mann, den Reb Jehuda Leib für seine Tochter, Rebbezin Schterna Sara, gefunden hatte. Doch später, als sich herumsprach, Rabbi Schneur Zalman sei nach Mesiritsch gereist und auf die Chassidim „hereingefallen“, war sein Schwiegervater sehr zornig. Alle seine Hoffnungen auf Ehre und Ansehen schwanden vor seinen Augen dahin. Viele Rabbiner hatten die junge chassidische Bewegung für unjüdisch erklärt. Seiner Meinung nach hatte sein Schwiegersohn den rechten Weg verlassen.
Man versuchte, Rabbi Schneur Zalman von seinem Irrtum zu überzeugen – vergeblich. Der junge Ehemann beharrte darauf, den Weg des Chassidismus zu gehen, und forderte sogar andere Juden auf, es ihm gleichzutun.
Als Rabbi Schneur Zalmans Schwiegervater merkte, dass es nicht half, freundlich zu sein, verlangte er von Rabbi Schneur Zalman, sich scheiden zu lassen. Der stimmte zu, forderte jedoch das Einverständnis seiner Frau. Aber Schterna Sara sah keinen Grund für eine Scheidung. Ihrer Meinung nach war sie mit einem frommen Mann verheiratet, der sich streng an die Tora hielt und ohne Falsch war. Sie fand, dass man ihm Unrecht tat.
Jeden Freitag Abend pflegte Rabbi Schneur Zalman lange zu beten. Wenn er von der Synagoge nach Hause kam, hatten alle im Haushalt schon gegessen und waren zu Bett gegangen. Nur die Rebbezin wartete auf ihm, um den Kiddusch zu hören. Einmal beschloss Rabbi Jehuda Leib, seinem Schwiegersohn eine Lehre zu erteilen. Nach dem Abendessen am Freitag schloss er den Wein und alles Essen ein, so dass sein Schwiegersohn keinen Kiddusch sprechen konnte. Sogar die Trinkgläser versteckte er.
Die Rebbezin begrüßte ihren Mann weinend und berichtete, was ihr Vater getan hatte. Trotz gründlicher Suche hatte sie nichts gefunden, was sich für den Kiddusch eignete. Rabbi Schneur Zalman beruhigte seine Frau und ging selbst auf die Suche. Gemeinsam fanden sie im Keller eine Flasche Wodka, die Reb Jehuda Leib übersehen hatte. Und da ihnen kein Wein zur Verfügung stand, war es erlaubt, den Kiddusch über dem Nationalgetränk zu sprechen.
Aber es gab noch ein Hindernis. Da alles Geschirr weggesperrt war, hatten sie keinen Becher. Außerdem war der Kiddusch ohne Essen ungültig. Aber Not macht erfinderisch. Ein großer Becher für die rituelle Händewaschung wurde zu einem provisorischen Kidduschbecher. Rabbi Schneur Zalman füllte ihn bis zum Rand, sprach den Kiddusch und trank. Dann trank er noch einmal vier Unzen (0,12 Liter), denn manche Toragelehrte vertraten die Meinung, man dürfe einen zweiten Becher Wein als Ersatz für eine Mahlzeit trinken und fehlenden Wein durch das Nationalgetränk ersetzen.
Am nächsten Morgen fragte Reb Jehuda Leib seine Tochter, ob ihr Mann seine Lektion endlich gelernt habe, und er wurde wütend, als sie ihm erzählte, was geschehen war. „Ich nehme an, dein Mann war stark betrunken und ist ins Bett gefallen“, sagte er spöttisch.
„Im Gegenteil“, erwiderte die Rebbezin, „er blieb die ganze Nacht wach und studierte die Tora, so wie immer. Jetzt ist mir erst richtig klar, was für ein großer Mann er ist.“ Reb Jehuda Leib war überrascht, doch leider verbesserte Rabbi Schneur Zalmans erstaunliches Verhalten in dieser Nacht ihre Beziehung nicht.
Jahre vergingen. Rabbi Schneur Zalman war nach Liozna umgezogen und weltberühmt geworden. Er hatte Anhänger auf der ganzen Welt. Sein Schwiegervater war gestorben, und seine Schwiegermutter bat ihn, mit seinen Chassidim nach Witebsk zurückzukehren. Sie war sehr reich und versprach, ihn zu unterstützen. Rabbi Schneur Zalman antwortete:
„Dem Kind im Mutterleib geht es gut. Es isst, was die Mutter isst, und seine Wohnung ist warm und behaglich. In spiritueller Hinsicht wird neben seinem Kopf eine Kerze angezündet, und man unterrichtet es umfassend in der Torah. Aber sobald es geboren wird und selbstständig atmet, kann es nie mehr in den Mutterleib zurückkehren, denn es ist nun zu groß und seine frühere Wohnung ist zu klein geworden.“
ב"ה
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