Die Einrichtung der Ehe besteht aus zwei sich gegenseitig ergänzenden Bestandteilen: Verpflichtung und Liebe. Unter der Chuppa (Traubaldachin) geben sich der Bräutigam und die Braut das Versprechen zur gegenseitigen Treue und verpflichten sich, ihr ganzes Wesen in der Beziehung zu investieren, um den Partner glücklich zu machen. Auf dieser gegenseitigen Verpflichtung basiert jede Beziehung. Doch nur die Liebe, die Leidenschaft und die erhabensten aller Gefühle zwischen den Partnern verleihen der Ehe Lebhaftigkeit und Farbe, - und nur deshalb erscheint die Ehe dem Menschen wünschenswert. Gerade dieses letztere Element bringt Junggesellen dazu, ihre "Freiheit" aufzugeben, und überzeugt Mitglieder des "zarten Geschlechts" davon, es mit einem "gefühlsmäßigen Rowdy" aufzunehmen.

Soll Liebe aus dieser Verpflichtung erwachsen, oder soll diese Verpflichtung zu Liebe führen?Die Notwendigkeit beider Bestandteile für den Aufbau einer glücklichen und standfesten Ehe ist unbestritten. Doch welchem dieser Elemente der Vorrang gebührt, führt zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der Ethik der Tora und den Normen der westlichen Welt: Soll Liebe aus dieser Verpflichtung erwachsen, oder soll diese Verpflichtung zu Liebe führen? Hier ist die gegenwärtige, gesellschaftliche Tendenz der Jüdischen Tradition konträr entgegengesetzt. Nach westlicher Auffassung genügt es, nach Jahren des Sich-Kennens mit dem Partner für eine gewisse Zeitspanne zusammenzuziehen, um bei anscheinend gegenseitigen, eine langfristige Verpflichtung rechtfertigenden Empfindungen eventuell die Eheschließung zu erwägen.

Die Jüdische Tradition befürwortet im Gegensatz dazu die umgekehrte Methode: Indem wir uns mit der betreffenden Person genüg vertraut machen, finden wir heraus, ob unser beider Temperamente und Lebensprioritäten übereinstimmen. Sind wir gewiss, dass unser beider Persönlichkeiten verträglich sind und eine gegenseitige Anziehung entsteht, so ist es Zeit, zu heiraten. Grundlage ist die Verpflichtung, - und nach eben diesem Akt des Verpflichtens wird sich die Liebe entwickeln und auch vertiefen.

Leider nimmt die westliche Gesellschaft aus irgendeinem Grund an, die Aussicht auf eine spätere glückliche Ehe würde sich durch ein „Liebenlernen bereits vor der Hochzeit“ verbessern.

Diese Aussichten trügen, was auch nicht anders zu erwarten ist: Denn wenn die Verpflichtung auf Liebe beruht, die wie alle Emotionen sehr zum Schwanken neigt, so riskiert diese Verpflichtung zu verschwinden, sobald die Liebe nicht mehr intensiv genug empfunden werden kann. Basiert hingegen Liebe auf Verpflichtung, dann wird diese Verpflichtung auch bei sinkender Lebenskraft der Liebe zum Bemühen beider Partner führen, ihre Liebe wieder neu zu beleben.


Gemäss der Tora ist die Hochzeit ein zweiphasiger Prozess: Die erste Phase wird "Kidduschin" (Verpflichtung) genannt, die zweite Phase "Nisu'in"(...). Schon die Phase der Kidduschin erklärt den Bräutigam und die Braut zu Mann und Frau, d.h., es wäre bereits ein Get (Jüdischer Scheidungsbrief) notwendig, wenn sich beide doch wieder trennen wollten. Trotzdem ist es Bräutigam und Braut auch nach dieser ersten Phase noch nicht erlaubt, als Mann und Frau zusammenzuleben, bis sie die zweite Phase vervollständigt haben. Kidduschin und Nisu'in werden meist unmittelbar aufeinanderfolgend unter der Chuppa durchgeführt: Kidduschin treten mit dem Anstecken des Ringes durch den Bräutigam in Kraft, Nisu'in bei der Vereinigung der beiden unter der Chuppa mit der Absicht, sich trauen zu lassen.

Zuerst kommen die Kidduschin und erst dann folgen die Nisu'in, die alle Farben von Liebe und lebhafter Leidenschaft zum Ausdruck bringen - und genau diese Reihenfolge bürgt für eine hingebungsvolle glückliche Ehe.


Der 15. Aw symbolisiert die außerordentliche Fähigkeit des jüdischen Volkes, auch mit unfassbaren Tragödien fertig zu werden.

Am fünfzehnten Aw ("Tu beAw") feiern wir einen der fröhlichsten Feiertage. Dieses Datum markiert mehrere besondere mit der Genesung von einer großen Tragödie in Verbindung stehende Ereignisse, der wir sechs Tage zuvor gedenken. Dieser ist der Neunte Av, der traurigste Tag des Jahres, der aber auch Zeugnis von der außerordentlichen Fähigkeit des Jüdischen Volkes ablegt, mit unfassbaren Tragödien fertig zu werden.

Der fünfzehnte Aw hat auch mit dem Thema „Hochzeit“ zu tun, denn der Talmud besagt, dass dieser Tag der "Kunst der Verkupplung“ gewidmet war. Als Grund dafür wird die Ehe als einziges Heilmittel gegen die unheimlichen Katastrophen, die sich am Neunten Aw ereigneten, genannt: Die Zerstörung der beiden Heiligen Tempel und die jeweils darauffolgende Verbannung unseres Volkes.

Unsere Verbindung zu G-tt besteht ebenfalls aus diesen beiden Elementen: Verpflichtung und Liebe. Bevor die Liebe Ausdruck findet, müssen auch wir uns der Verpflichtungsphase unterziehen, den Kidduschin. Doch hier handelt es sich um einen weit stärkeren Bund, der für alle Ewigkeit bestimmt ist, - und die leidenschaftlichste aller Verbindungen zwischen zwei Menschen ist nichts als eine vage Skizze verglichen mit der unvorstellbaren Schönheit dieses Bundes. Jetzt kommt die Zeit für die zweite Phase – Nisu'in. Diese Phase werden wir mit dem Kommen Moschiachs feiern, möge es so bald wie möglich geschehen!