Frage?

Ein Freund von mir hat kürzlich seinen Vater verloren, doch habe ich ihn nicht besucht. Ich hatte allerlei Entschuldigungen auf Lager, wie z.B. dass er es vielleicht vorzieht, alleine zu sein oder dass ich ihm sowieso nicht so nahe stand. Aber der wahre Grund ist, dass ich einfach nicht weiß, was ich in einer solchen Situation sagen soll. Was kann ich Nützliches sagen, um ihn zu erleichtern? Tatsache ist doch, dass sein Vater einfach nicht mehr unter uns weilt.

Antwort!

Ihr Zögern, mit einem trauernden Freund konfrontiert zu werden, ist verständlich, beruht aber auf einer irrtümlichen Annahme.

Wir müssen nicht zu großen Philosophen werden, um einen Trauenden zu besuchen. Auch erwartet niemand von uns, dass wir jetzt eine tiefgründige These über den großen Verlust vortragen, oder dass wir zu Beratern werden, die den Schmerz des Trauernden zu lindern versuchen.

Das ist nicht wahr. Es ist nicht Ihre Aufgabe, den Theologen oder Therapeuten zu spielen, sondern lediglich die, als Freund für den andern da zu sein. Ihre Gegenwart, also die Tatsache, das Sie sich um Ihr Erscheinen bei der Schiwa bemüht haben, bedeutet schon Trost für die Trauernden. Es zeigt ihnen, dass sie nicht alleine sind.

Die Jüdische Tradition besagt, dass Sie bei Ihrem Besuch schweigend warten sollten, bis der Trauernde das Gespräch selbst eröffnet. Es könnte sein, dass er lachen, oder weinen oder nur schweigend dasitzen möchte. Lassen Sie ihn den Ton angeben und reagieren sie dementsprechend. Und wenn der Trauernde andeutet, dass er lieber allein sein will, dann sollten sie den Wink verstehen und gehen. Stellen Sie keine Vermutungen an, sondern nehmen Sie den Trauernden zur Richtschnur.

Wenn Sie Worte des Trostes oder der Weisheit mitteilen möchten, sollten Sie das tun. Doch wenn ihnen nichts einfällt, dann ist das auch in Ordnung. Der Zweck des Besuches besteht darin, dem Trauernden Ihre seelische Unterstützung zu zeigen, und das haben Sie durch Ihr Kommen bereits getan. Ihre Gegenwart ist stärker als alle Worte. Die Erklärungen des Philosophen helfen vielleicht, den Schmerz zu verstehen, doch die Gegenwart eines Freundes hilft, ihn zu ertragen. Worte können den Intellekt trösten, doch das Herz tröstet sich durch das Zusammensein mit einem Freund, der um unser Wohlergehen besorgt ist und uns fühlen lässt, dass wir nicht allein sind.