Frage?
Meine Großmutter gab kürzlich bekannt, dass sie beabsichtigt, sich nach ihrem Ableben kremieren zu lassen. Das machte mich sehr erschrocken, denn ich weiß um das Verbot der Kremation im Judentum. Im kommunistischen Russland aufgewachsen, glaubt meine Großmutter nicht an die spirituelle Realität, sondern behauptet, dass es abgesehen vom Preis keinen Unterschied zwischen Beerdigung und Kremation gibt. Was soll ich ihr antworten?
Antwort
Kürzlich unterhielt ich mich mit einer Dame, die an der Kremation ihrer Freundin teilgenommen hatte. Ihre Reaktion machte mich sehr betroffen, als die Dame sagte, dass die Atmosphäre äußerst unangenehm gewesen sei: Im Raum standen Menschen, die sich von der Verstorbenen verabschieden wollten, aber nur eine Urne vorfanden. So sehr es die Dame auch versuchte, war sie doch nicht im Stande, zwischen der Urne und ihrer Freundin irgendeine Verbindung zu sehen. Der Versuch, einen Akt ehrenden Gedenkens auszudrücken, schien völlig unsinnig, da die Gegenwart der in-die-bessere-Welt-Gegangenen gar nicht gefühlt werden konnte.
Das Kremieren ist den Trauernden gegenüber unfair. Es kann von ihnen nicht erwartet werden, dass sie sich von einer Urne verabschieden. Auch haben die Hinterbliebenen kein Grab, an dem sie trauern können. Die Seele hat keinen Ruheplatz in dieser Welt. Wenn Ihre Großmutter auf die spirituellen Vorteile eines Jüdischen Begräbnisses verzichten will, sollte sie zumindest den Trost, den ein solches Begräbnis ihren Verwandten spendet, in Betracht ziehen.
Auch stimmt die Behauptung nicht, dass "das Resultat der Kremierung und der Beerdigung ein und dasselbe ist".
Nach der Kremation wird der Körper zu Asche, nach der Beerdigung aber zerfällt der Körper zu Staub und vereinigt sich wieder mit der Erde. Es gibt einen großen Unterschied zwischen den beiden: Die Erde ist fruchtbar, - die Asche ist es nicht. Die Erde ermöglicht neues Wachstum und weiteres Leben, - die Asche ist unfruchtbar und leblos.
Es ist wider alle Natur, den Körper in Asche umzuwandeln. Doch der allmähliche Prozess des Wiederkehrens zu Erde bleibt der ursprünglichen Bedeutung des Todes treu. Das Verschwinden der einen Generation ermöglicht das Aufblühen der nächsten, und die jetzige Generation wird von dem Vermächtnis der Vorherigen belebt und inspiriert. Unsere Vorfahren sind der Boden, aus dem wir wuchsen. Selbst nach ihrem Ableben bleiben sie eine Quelle des Lebens.
Ich traf bisher noch keine Familie, die es bereut hat, ihren Angehörigen ein anständiges Jüdisches Begräbnis gesichert zu haben. Hingegen erlebte ich Bedauern und Gewissensbisse später bei jenen, die sich aus Unwissenheit für eine Kremation entschieden hatten. Denken Sie lange darüber nach, bevor Sie eine so unwiderrufliche Tat begehen.
Ihre Großmutter ist eine ganz besondere Dame. Möge Haschem ihr viele Jahre guter Gesundheit schenken und möge sie immer mit der Würde behandelt werden, die ihr gebührt.
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