Vor vielen Jahren lebte ein Jude namens Mottel Goldgrebber in einem russischen Städtchen. Das war ein recht lustiger Name, denn er war wirklich ein „Gräber“, obwohl er nicht Gold ausgrub, sondern Sand und Kalk, den er an Mauerer verkaufte, die daraus Mörtel und Zement machten. Leider wurde in der Kleinstadt nicht viel gebaut, so dass Mottel nicht viel verdiente und seine Familie nur mühsam ernähren konnte.
Jahre vergingen, und eines Tages sollte seine älteste Tochter heiraten. Aber wie konnte Mottel ohne Geld einen Mann für sie finden? Obendrein wollte er sie mit einem Toragelehrten verheiraten - aber das würde ohne Aussteuer ein Traum bleiben.
Eines Tages wurde Mottel plötzlich reich. Er grub wie gewöhnlich, als seine Schaufel auf etwas Hartes stieß. Er bückte sich und hob einen Stein auf, der wie ein Stück Glas aussah. Erst wollte er ihn wegwerfen, aber dann steckte er ihn in die Tasche.
Einige Tage später zeigte er ihn einem Diamanthändler. Der prüfte ihn mit einer Lupe, kratzte daran, dann sagte er: „Das ist kein Glas. Es ist ein enorm wertvoller Diamant!“ Mottel brach fast zusammen.
„Wie viel ist er denn wert?“, fragte er.
„Ich habe nicht genug Geld, um ihn zu kaufen. Darum rate ich dir, nach London zu meinem Vetter zu fahren. Er ist auch Diamanthändler und wird dir sagen, was der Stein wert ist. Du bist ein reicher Mann, Mottel!“
Mottel war bestürzt. „Ich kann nicht nach London reisen – ich habe kein Geld!“
„Keine Sorge. Ich borge dir das Geld für die Reise“, sagte der Kaufmann. „Wenn du in London bist, verkaufst du den Stein und kaufst viele kleinere Steine. Dann kommst du zurück, und wir werden Partner.“
Mottel traf alle notwendigen Vorbereitungen und war bald im Hafen. Inzwischen hatte er aber fast das ganze Geld ausgegeben, das der Diamanthändler ihm vorgestreckt hatte, denn er hatte nie gelernt, mit Geld umzugehen. Also ging er zum Kapitän, zeigte ihm den Stein und erklärte ihm, er habe kein Geld für die Überfahrt, werde aber bald reich sein. Der Kapitän war bereit, ihn mitzunehmen, und brachte ihn in einer Kabine der ersten Klasse unter.
Mottel konnte sein Glück kaum fassen. Oft holte er den Diamanten aus der Tasche und hielt ihn in die Sonne, um seine schönen, funkelnden Farben zu bewundern, sogar beim Essen.
Eines Tages, als er nach dem Essen sein Gebet sprach, kam der Steward, um den Tisch abzuräumen. Er faltete das Tischtuch zusammen und schüttelte den Diamanten zusammen mit den Essensresten aus dem Bullauge ins Meer. Mottel war entsetzt, aber was sollte er tun? Ruhig dankte er G-tt für alles, was er ihm gegeben und genommen hatte; dann dachte er über die neue Situation nach. Es sah schlecht aus; aber Mottel war ein gläubiger Mann, und er wusste, dass G-tt ihn nicht im Stich lassen würde.
Eines Morgens, als Mottel auf dem Deck spazieren ging, sprach ihn der Kapitän an. „Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Auch Sie werden davon profitieren.“ Dann erklärte ihm der Kapitän, an Bord befinde sich nicht nur eine Ladung, die dem König gehöre, sondern auch kostbares Erz, das ihm, dem Kapitän, gehöre. Leider würden die Leute des Königs die ganze Ladung mitnehmen. Der Kapitän schlug vor, Mottel solle sich als Eigentümer des Erzes ausgeben und es in London verkaufen.
Die Dokumente wurden unterzeichnet. Die beiden vereinbarten, sich genau zwei Wochen nach dem Andocken zu treffen. Dann sollte Mottel dem Kapitän das Geld geben, abzüglich zehn Prozent Provision. Am festgelegten Tag wartete Mottel lange, aber der Kapitän kam nicht. Nach mehreren Tagen ging Mottel in den Hafen und erkundigte sich nach dem Kapitän. Jetzt erfuhr er zu seinem Kummer, dass der Mann bei einer Rauferei erstochen worden war. Mottel stellte Nachforschungen an und fand heraus, dass der Kapitän keine lebenden Verwandten hatte. Also gehörte der enorme Gewinn des Erzgeschäftes ihm – er war reicher, als er es nach einem Verkauf des Diamanten gewesen wäre.
Mottel verstand sein Glück nicht. Als er in seine Heimatstadt zurückkehrte, sprach er darüber mit seinem Freund, dem Diamanthändler, der folgende Erklärung anbot: „Du hast nichts getan, um den Diamanten zu verdienen. Er war einfach ein Geschenk der g-ttlichen Gnade. Doch als du ihn verlorst, wankte dein Glaube nicht. Du hat G-tt vertraut, und darum verdientest du das zweite Vermögen, das größer ist als das Erste und das du zweifellos nie verlieren wirst, solange dein Glaube an G-tt unerschütterlich bleibt.“
ב"ה
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