Als Du klein warst, warst Du mit Glauben gesegnet. Die Welt war gut, die Menschen waren gut und selbst gut zu sein bedeutete einfach nur, den Ja und Nein’s des Lebens, die G-tt Deinen Eltern gesagt hat, zu folgen.

Dann bist Du aufgewachsen, hast ein paar böse Typen getroffen und festgestellt, dass das Befolgen der Regeln nicht immer so klappt, wie Du Dir das vorgestellt hast. Die Moral verschmolz zu einer weichen Masse aus Vielleichts, Wenns und Normalerweisen. Das Vertrauen an sich war nicht mehr genug: Du brauchtest auch Intellekt, Feinfühligkeit, Gespür, den Willen und das Verlangen, diese Sache namens Leben zu steuern.

Als Du zum ersten Mal geheiratet hast, warst Du ebenfalls mit Glauben gesegnet. Dein Partner war der gutherzigste, intelligenteste, schönste, talentierteste, sich sorgendste und liebensvollste Person des Universums. Eure Liebe füreinander würde Euch sowieso überall hindurch bringen. Dann alterte die Ehe, sie bekam Falten, einen unregelmäßigen Herzschlag und Demenzanfälle. Die Liebe allein war einfach nicht mehr genug: Du brauchtest auch Intellekt, Feinfühligkeit, Gespür, den Willen und das Verlangen, die Beziehung fort zu führen.

Du beginnst mit dem Glauben und kommst zur Erfahrung. Aber es gibt noch eine dritte Stufe: eine Stufe, in der der Glauben erneut erscheint. Eine Stufe, in der Du entdeckst, dass Dein Partner wirklich die großartigste, wundervollste Person ist. Eine Stufe, in der Du entdeckst, dass die Welt gut ist, die Menschen gut sind, dass die von G-tt gegebenen Ja und Nein’s die Formel für ein bedeutungsvolles Leben sind. Nein, es ist nicht so einfach und unkompliziert wie Dein jugendlicher Glaube es hat vermuten lassen. Aber dieser reife, komplexe, gedankenvolle, gewollte und inspirierte Glauben besitzt etwas, was der jugendliche Glauben nicht hatte: er hat eine Dichte, ein Gefüge, einen Geschmack. Eine Reichhaltigkeit.

Du bist zurückgekehrt zum ursprünglichen Glauben, derselbe Glauben, der so hell und heftig schien, weil er nicht mit Wissen und Erfahrung gepaart ist. Nun, wie dem auch sei, Dein Glauben existiert neben Deinem Wissen und Deiner Erfahrung – er baut darauf auf. Die Wurzeln Deines Glauben reichen tiefer als das, ist weitaus höher als das – und dennoch lehnt er daran an und wird davon gefestigt.


Mazza ist die grundlegendste Ikone des Pessachfestes. Der biblische Name für Pessach ist „Das Fest des ungesäurten Brotes“. Acht Tage lang ersetzt dieses ungesäuerte Brot jedwede Form von Gesäuertem. Am Pessachabend stellen die drei Seder Mazzot, am Kopfe des Tisches auf ihrem besonderen Teller thronend, den Mittelpunkt der Rituale des Seder ein.

Es gibt keinen geringen Konsens über die Wichtigkeit der Mazza. Die Weisen des Talmud und der Kabbala geben ihm verschiedene, ja widersprüchliche Namen: „das Brot der Trübsal“, „das Brot der Armut“, „das Brot der Demut“, „das Brot der Weisung“, „das Brot des Glaubens“, „das Brot der Heilung“.

Dann bleibt noch die Frage des Zeitpunkts: wann genau wurde die Mazza geboren? Am Anfang des Seders verkünden wir: “dies ist das Brot der Trübsal, das unsere Vorfahren im Lande Ägypten aßen…“ Aber später am Abend rezitieren wir: „Diese Mazza, die wir essen – aus welchem Grunde [essen wir sie]? Weil der Teig unserer Väter nicht die Zeit hatte, zu säuern bevor der König der Könige der Könige, der Heilige, gesegnet sei Er, sich ihnen offenbarte und sie erlöste.“

Folglich gibt es Vor-Exodus Mazza und Nach-Exodus Mazza. Oder, wie sie in den Lehren des Chassidus genannt werden: Vor-Mitternachts-Mazza und Nach-Mitternachts-Mazza.

Denn Mazza, das Brot des Glaubens, hat zwei Gesichter. Es ist der Glaube der Armut, der in unberührten Seelen gedeiht, die frei vom Gewirr des Intellekts und den Belastungen der Erfahrung sind. Und dann, auf der anderen Seite der Nacht, ist es ein Glaube, der von den Elementen angereichert wird, die ihn in den Jahren des Exils zu ersticken drohten.