„In jeder Generation“ und an jedem Tag „ist der Mensch verpflichtet, sich selbst zu betrachten, als sei er heute aus Mizraim (Ägypten) ausgezogen.“1 Dies bezieht sich auf den Auszug der g‑ttlichen Seele aus der Gefangenschaft des Körpers, der „Schlangenhaut“, um in der Vereinigung mit dem Licht des gesegneten Ejn Sof aufzugehen, durch die Beschäftigung mit der Tora und den Geboten im Allgemeinen, und im Besonderen durch die Annahme des himmlischen Königtums während des Schema-Lesens, bei dem man ausdrücklich die Einheit des Gesegneten auf sich nimmt und auf sich zieht, indem man sagt: „Der Ew‑ge ist unser G‑tt, der Ew‑ge ist Eins.“2
Es wurde oben erwähnt3, dass „unser G‑tt“ im Sinne von „G‑tt Avrahams“ zu verstehen ist, etc. pp., denn er war in der Vereinigung mit dem Licht des gesegneten Ejn Sof aufgelöst und ging darin auf. Avraham jedoch wurde dies durch seine Taten und seinen stufenweisen Fortschritt im Bereich der Heiligkeit zuteil, wie geschrieben steht: „Dann brach Abram auf, immer weiter ziehend … …“4 Für uns aber ist es ein Erbe und ein Geschenk, dass Er uns Seine Tora gab und Seinen gesegneten Willen und Seine Weisheit darin kleidete, die mit dem Wesen und der Essenz des Gesegneten in völliger Einheit vereint sind; und dies ist, als hätte Er uns sozusagen sich selbst gegeben. Und wie der heilige Sohar5 den Vers kommentiert: „Sie sollen mir [‚li‘] eine Hebegabe bringen“6. (Li [„mir“] hat dieselbe Bedeutung wie Oti [„mich“]; es hätte also stehen sollen: „[Sie sollen Mich] und eine Hebegabe bringen;“ beides ist jedoch dasselbe; siehe dort gründlich.)
Und dies ist die Bedeutung von: „Und Du gabst uns, Ew‑ger, unser G‑tt, in Liebe etc.“7 und „Denn im Lichte Deines Angesichts gabst Du uns, Ew‑ger, unser G‑tt etc.“8 Deshalb hindert uns nichts anderes als der Wille am Haften der Seele an der Einheit und dem Licht des Gesegneten; wenn der Mensch Ihm, G‑tt behüte, keineswegs anhangen möchte etc. [wird diese Einheit nicht erreicht]. Doch in dem Augenblick, in dem er möchte und die G‑ttlichkeit des Gesegneten annimmt und auf sich zieht und „der Ew‑ge ist unser G‑tt, der Ew‑ge ist Eins“ sagt, geht gewiss seine Seele von selbst in der Einheit des Gesegneten auf, denn „Geist bringt Geist hervor, und zieht Geist herab“. Dies ist eine Form des Auszugs aus Ägypten. Deshalb wurde verordnet9, den Abschnitt über den Auszug aus Ägypten10 ausgerechnet während des Schema-Lesens zu rezitieren, obwohl dies ein eigenständiges Gebot ist und nicht Teil des Gebotes des Schema-Lesens, wie im Talmud11 und von den Halacha-Dezisoren12 festgehalten wird; denn sie sind in Wirklichkeit ein und dieselbe Sache. Gleichfalls wird am Ende des Abschnitts über den Auszug aus Ägypten abgeschlossen: „Ich bin der Ew‑ge, Euer G‑tt.“13 Auch dies entspricht dem oben Gesagten.
ב"ה
Heutiger Tanja-Abschnitt
Likkutej Amarim, Kapitel 47
Fußnoten
1.
Nach Mischna Pesachim 10:5. Das hebräische Wort Mizraim (Ägypten) ist verwandt mit dem Wort Mezarim (Beschränkungen, Grenzen).
2.
Deut. 6:4.
3.
Kap. 46.
4.
Gen. 12:9.
5.
Sohar III, 179a.
6.
Ex. 25:2.
7.
Aus dem Gebetsritus für die Festtage.
8.
Aus dem Achtzehngebet.
9.
Siehe Berachot 12b; R. Schneor Salman von Ljadi, Schulchan Aruch, Orach Chajim 58:1, 67:1.
10.
Num. 15:37-41.
11.
Berachot 21a.
12.
Tur WeSchulchan Aruch, Orach Chajim 67:1.
13.
Num. 15:41.