Ein „unvollendet Gerechter“ ist, wer die Sitra Achra nicht mit äußerstem Hass hasst; er verabscheut deshalb auch das Böse nicht gänzlich. Und solange Hass und Abscheu für das Böse nicht absolut sind, hat er gezwungenermaßen noch ein Fünkchen Liebe und Genuss dafür übrig; die schmutzigen Kleider wurden [der tiergleichen Seele] offensichtlich noch nicht gänzlich abgenommen. Daher wurde [das Böse der tiergleichen Seele] nicht zu völlig Gutem gewandelt, weil es in gewissem Maß noch an den schmutzigen Gewändern festhält, doch ist es ob seiner Geringfügigkeit aufgelöst und wird als nichtig betrachtet. Er heißt deshalb [„Gerechter, dem es schlecht geht“, was gedeutet wird als] „Gerechter, dessen Böses ihm unterworfen und ergeben ist“1. Als Folge davon ist auch seine Liebe zu G‑tt nicht absolut. Er wird daher als „unvollendet Gerechter“ bezeichnet.
Nun ist dieser Grad in zehntausende Stufen geteilt, gemäß der Qualität des geringfügig verbliebenen Bösen von einem der vier bösen Elemente; und gemäß des Ausschaltungsgrades [des Bösen] aufgrund seiner Geringfügigkeit: 1:60 etwa, oder 1:1.000 oder 1:10.0002 u.Ä. Diese [diversen Grade des „unvollendet Gerechten“] sind der Aspekt der zahlreichen Gerechten, die in allen Generationen anzutreffen sind, wie im Talmud steht: „18.000 Gerechte stehen vor dem Heiligen, gesegnet sei Er.“3
Der Ausspruch R. Schimon bar Jochais: „Ich habe erhabene Menschen gesehen und ihre Zahl ist gering etc.“4 bezieht sich jedoch auf den Vorzug des „vollendet Gerechten“. [Die „vollendet Gerechten“] werden deshalb „erhabene Menschen“5 genannt, weil sie das Böse umwandeln und zur Heiligkeit aufsteigen lassen. Wie in der Einleitung des Sohar steht, hörte R. Chija, als er zum Hejchal von R. Schimon bar Jochai emporzusteigen suchte, eine Stimme ertönen und sagen: „Wer von euch Finsternis in Licht und Bitternis in Süße gewandelt hat, bevor er hier ankam etc. pp. [nur er hat Anteil hier].“6