Darüber hinaus ersuche ich Euer Würden1, meine Worte, die von mir vorgebrachte Bitte, dass jedermann aufrichtig sei und in seiner Rechtschaffenheit wandle, so wie „G‑tt den Menschen aufrecht erschaffen hat“, nicht hinter euch zu werfen. [Der Mensch] suche nicht viele Berechnungen über den „Anlass der Schritte eines Mannes und der Gedanken des Menschen und seine Pläne“2. Dies ist die Aufgabe des Himmels und nicht Aufgabe von Fleisch und Blut. Man glaube vielmehr mit vollkommenem Glauben an die Vorschrift unserer Weisen sel. A.: „Und sei demütigen Geistes vor jedem Menschen“3 – im Allgemeinen4. Denn es ist eine wahre Sache und ein richtiger Ausspruch, dass jedermann durch seinen Mitmenschen besser wird. So steht geschrieben: „alle Männer Israels wie ein Mann verbündet“5, so wie ein Mann aus zahlreichen Organen zusammengesetzt ist, und wenn sie abgetrennt werden, dies das Herz beeinflusst, „denn aus ihm geht das Leben hervor“6. Indem wir deshalb wahrlich alle wie ein Mann sind, kommt der Dienst [G‑ttes] im Herzen zustande. Und aus dem Positiven etc.7 Daher wurde gesagt: „Ihm dienen mit vereinter Schulter.“8
Daher flehe ich, meine Geliebten und Freunde, wieder und wieder, sich mit ganzem Herzen und ganzer Seele abzumühen, um die Liebe für den Mitmenschen fest in seinem Herzen zu verankern, „und keiner sinne auf des anderen Unheil in eurem Herzen“9 steht geschrieben. Solch eine [Erwägung] sollte niemals im Herzen aufkommen; und kommt sie auf, hat man sie aus seinem Herzen zu verstoßen10 „wie Rauch verjagt wird“, wirklich wie einen Gedanken des Götzendienstes. Denn Bösrede ist so schwerwiegend wie Götzendienst, Unzucht und Blutvergießen11. Ist dies so beim Sprechen etc.12; denn bereits jedem Weisen des Herzens ist die größere Wirkung des Gedankens gegenüber dem Wort bekannt, sei es zum Guten oder zum Verbesserungswürdigen.
Möge Euch der gute G‑tt, der Sein Volk mit Frieden segnet, Frieden und Leben in Ewigkeit erteilen, wie der Wunsch dessen ist, der Eure Seele von Herz und Seele liebt.
Heutiger Tanja-Abschnitt
Iggeret HaKodesch, Ende von Brief 22
Die Anrede „Darüber hinaus ersuche ich Euer Würden …“ erfuhr durch den früheren Lubawitscher Rebben, R. Josef I. Schneersohn, eine weitere Deutung. Im Hebräischen nämlich kann die Phrase אדרוש ממעלתכם auch gelesen werden als „von euren erhabenen Qualitäten hervorbringen“. Diese Form der Anrede, führt R. Josef I. Schneersohn aus, bedeutet nicht, dass sich R. Schneor Salman nur an einen elitären Kreis von erhabenen Individuen wandte; schließlich verfasste er dieses Schreiben für Chassidim im Allgemeinen. R. Schneor Salman fordert vielmehr seine Anhänger auf: „Bringt eure erhabenen Qualitäten hervor!“ (R. Josef I. Schneersohn von Lubawitsch, Sefer HaSichot 5705, New York 1986 (4. Auflage), S. 51.)
Aus der Liturgie für den Neujahrstag.
Mischna Avot 4:6.
D.h. gegenüber jedem; vgl. oben, Likkutej Amarim, Kap. 30.
Ri. 20:11.
Spr. 4:23.
… kann man auf das Negative schließen. Sifri, Devarim 49.
Zef. 3:9.
Sach. 8:17.
Siehe oben, Likkutej Amarim, Kap. 12.
Siehe Arachin 15b; Maimonides, Mischne Tora, Hilchot Deot 7:3; und siehe oben, Iggeret HaTeschuva, Kap. 7.
… umso schwerwiegender ist es beim Gedanken.