Im Talmud (Rosch HaSchanah 10b-11a) führt zwei Möglichkeiten als Datum der G'ttlichen Erschaffung des Universums an: entsprechend Rabbi Eliezer: “Die Welt wurde im Tischrei erschaffen” (z.Bsp. war der Tag, an welchem Adam und Chawah erschaffen wurden, der erste Tischrei, welcher als Rosch HaSchanah begangen wird); entsprechend Rabbi Joschua, “Die Welt wurde im Nissan erschaffen.”
Die Kabbalisten und die chassidischen Meister interpretierten die tieferen Bedeutungen der beiden unterschiedlichen Aussagen wie folgt: die physische Welt wurde im Tischrei geschaffen, während der Gedanke oder die Idee der Erschaffung im Monat Nissan gefasst wurde.
Entsprechend dem Talmud wurden die drei Patriarchen des jüdischen Volkes – Awraham (1813-1638 BCE), Jitzchak (1713-1533 BCE) und Jaakow (1653-1506 BCE) – im Monat Nissan geboren und sind auch in diesem Monat verstorben.
Am ersten Nissan des Jahres 2448 nach der Schöpfung (1313 BCE – zwei Wochen vor dem Auszug aus Ägypten), “G'tt sprach zu Moses und Aaron im Land Ägypten”, wo er sie anwies den jüdischen Kalender zu erstellen und dabei zu beachten: “Dieser Monat sei Euch der Beginn der Monate, er sei Euch der erste der Monate des Jahres“ (Schmot 12:1-2); dies war die erste Mizwa, die dem jüdischen Volk gegeben wurde. Im Anschluss daran verkündete G'tt die Vorschriften für das Pessach-Opfer und das Pessach-Fest.
Nach den sieben Tagen der Vorbereitung wurde am achten Tag der tragbare Mischkan (Stiftszelt) aufgebaut und von den Kindern Israels eingeweiht. Aaron und seine Söhne dienten im Heiligtum als Priester und die g-ttliche Schechina setzte sich auf den Mischkan. Spezielle Opferungen wurden vollzogen, inklusive einer Reihe von Geschenken von Nachschon ben Aminadaw, der Prinz des Stammes Jehuda. In den kommenden 12 Tagen gaben auch die anderen Prinzen der Stämme von Israel Geschenke zum Mischkan.
Am Einweihungstag des Mischkans (siehe Eintrag darüber) nahmen die beiden Söhne von Aaron jeder ihr Rauchfass, entzündeten Feuer darin, fügten Weihräuche hinzu und opferten somit ein befremdendes Feuer vor G-tt, welches er nicht befohlen hatte. Ein g-ttliches Feuer verschlung darauf beide und tötete sie von G-tt. (siehe 3. Buch Wajikra 10:1-2)
Heute ist Rosch Chodesch für den Monat Nissan.
An diesem Tag werden besondere Teile zum Gebet hinzugefügt: das Hallel-Gebet (Psalmen 113-118) wird gelesen – in seiner besonderen Form – im Anschluss an das Schacharit-Morgengebet, sowie das Ja'aleh Vejawo-Gebet wird zur Amidah und zum Tischgebet hinzugefügt; das zusätzliche Mussaf-Gebet wird gesagt. Tachanun und ähnliche Gebete werden weggelassen.
Viele begehen Rosch Chodesch mit einer besonders festlichen Mahlzeit, sowie mit der Verminderung der alltäglichen Arbeit. Der letzte Brauch ist vor allem unter Frauen sehr verbreitet, da sie eine besondere Affinität bezüglich Rosch Chodesch haben – da Monate den weiblichen Charakter des Kalenders unterstreichen.
Eine besondere Mizwa, die nur einmal im Jahr erfüllt werden kann, ist es, die Bracha über einen Obstbaum in Blüte zu sagen:
„Gesegnet seist Du, Ewiger, unser G-tt, König der Welt, der nichts in seiner Welt hat fehlen lassen und in ihr gute Geschöpfe und gute Bäume erschaffen hat, von denen die Menschen genießen sollten.“
Am 1. Nissan besteht das erste Mal die Möglichkeit diesen besonderen Segensspruch zu sagen, er kann allerdings noch den gesamten Monat Nissan gesagt werden. Viele besuchen in dieser Zeit einen botanischen Garten, um die Gelegenheit zu nutzen und diese schöne Mizwa zu erfüllen.
Link: Die Gesetze des Segensspruches über einen blühenden Obstbaum
Beginnend ab heute bis einschließlich den 13. Nissan lesen wir täglich einen Vers (siehe 4. Buch Bamidbar, Kapitel 7) über die dargebrachten Opfer der 12 Stammesprinzen (Nesi’im). Heute lesen wir über das Geschenk welches von Nachschon ben Aminadaw, dem Prinz des Stammes Jehuda zur Einweihung des Mischkans gegeben wurde. Morgen lesen wir über das Geschenk von Issachar, und so weiter für alle 12 Stammesprinzen. Am 13. Nissan lesen wir über die g-ttliche Verordnung gegenüber Aaron wie er die Menora zu zünden hat, welches den Anteil des Stammes Levi darstellt.
Nach dem Lesen des täglichen „Nasi“-Vers sagen wir noch ein kurzes Anschlussgebet beginnend mit „Jehi Razon …“ (siehe weiter im Siddur für Einzelheiten).